Gleich vorab: Mit meiner - bei Heim-Hifi gnadenlos nach Fehlern suchenden - Tester-Einstellung kommt man bei Car-Hifi nicht weit. Das Klangbild ist im Vergleich zu bestem Heim-Highend immer noch fehlerbehaftet und die Bühnendarstellung alles andere als optimal. Andererseits darf man jetzt nicht gleich abwinken: Car-Hifi bringt also nix! Das wäre ebenfalls komplett falsch.
Denn erstens ist mein Heim-Hifi-Anspruch sehr hoch und ich bin mit meiner aktuellen Kette im Musikzimmer (s.a. Höreindrücke) sehr verwöhnt. Wer schon einmal einen meiner Heim-Hifi-Berichte gelesen hat, weiss dass ich durchaus auch an x-tausend Euro CD-Playern und Lautsprechern, die so viel (oder sogar mehr) wie das M Coupe kosten, herumnörgeln kann. Das meiste sogenannte Highend Equipment ist nämlich auch alles andere als perfekt.
Bild: Heimanlage Stand Mai 2007
Zweitens habe ich festgestellt, dass nicht nur mein Anspruch, sondern auch die Hörgewohnheiten beim Fahren ganz andere sind als in ruhigen Stunden daheim. Will sagen: Wenn im Musikzimmer bei einem Klavierkonzert oder einer Symphonie nicht die Illusion eines grossen Konzertsaals entstehen will, oder aberwitzige Dynamiksprünge des Orchsters nicht furchteinflössend genug über mich herein brechen, fange ich Highender-typisch an, über Tuningmassnahmen oder vermeintlich noch bessere Geräte nachzudenken. Gräme mich also über Kleinigkeiten, für die die wenigsten Zeitgenossen überhaupt Verständnis aufbringen können. Bei der Fahrt würde ich solche Musik gar nicht erst hören. Eingängigere und leichtere Kost empfinde ich hier deutlich entspannender und auch weniger vom Strassenverkehr ablenkend. Man stelle sich vor, man hört Wagner bei höherer Autobahngeschwindigkeit. Um eine sehr leise Passage überhaupt noch hören zu können, muss man die gut 80 dB Fahrgeräusche erst einmal übertönen. Dann kommt der gross-orchestrale Dynamiksprung von 60 dB. Entweder bricht die Anlage zusammen, oder die Lautstärke erreicht stark gesundheitsgefährdende oder gar tödliche Pegel - weniger spassig!
Auf der anderen Seite machen plötzlich Old-School-Rap, HipHop, House, Dance und diverse andere elektronische Musikrichtungen wieder richtig Spass. Über eine Heim Highend Anlage hört man so primitives Zeugs ja nicht. Meist ärgert man sich dann nur darüber, wer das alles so fürchterlich abgemischt hat. Oder man langweilt sich, ob des monotonen musikalischen Inhaltes. Beim Autofahren hingegen sorgt dererlei Musik oft für gute Laune.
Bild 1 und 2: Ausser dem neuen Radio ist optisch fast nichts zu erkennen.
Kein Bange, ich habe nicht nur Ice-T und Prodigy gehört (obwohl das durchaus auch Spass gemacht hat). Für eine sinnvolle Einschätzung der klanglichen Qualitäten des Projektes musste natürlich auch vernünftig produzierte akustische Musik ran, die ich aus Heim-Hifi-Vergleichen gut kenne. Als Abspieler diente vorwiegend ein iPod. Ich hatte zwar den Eindruck, dass obwohl im 9887R die gleiche DA-Wandlung für CD und iPod zur Anwendung kommt, die CD ein wenig seidiger und weniger hart in den Höhen klang als das gleiche Material vom iPod (128kB); aussagekräftige Vergleichtests habe ich aber nicht durchgeführt. Der iPod ist zum schnellen Hörcheck einfach praktischer und kommt auch unter Alltagsbedingungen deutlich häufiger zum Einatz als die CD.
Wie klingt es denn nun?
Tonal lässt die gesamte Kette nichts anbrennen. Vom recht tiefen Bass bis zu den seidigen und nie unangenehm harten Höhen ist alles in bester Ordnung. Eben genauso gut wie man die Aktivweiche und die parametrischen Equalizer eingestellt hat. Einige Dinge sind indes doch erwähnenswert. Fangen wir von "unten" an:
Der Bass geht wie zu erwarten nicht ultratief. Auch bei entsprechender Tiefbassanhebung ist bei gefühlten 50 bis 60 Hz Schluss. Das entspricht zumindest ausgewachsenen Standboxen und sorgt bei dem allermeisten Musikmaterial für eine vollständige Wiedergabe. Bei tiefbasslastiger elektronischer Musik oder HipHop könnte es manchmal ein wenig mehr sein. Hier stösst man - gerade bei voll aufgedrehtem Subwoofer-Pegel - relativ schnell an die Grenzen des 8-Zöllers. Der schlägt dann, entsprechende Geräusche von sich gebend, an und schreit damit nach Mässigung. Andererseits ist es dann auch schon recht laut. Mir reicht das so. Auf der Habenseite beim Tiefton, kann man die schnelle und trockene Gangart verbuchen. Der Subwoofer schliesst gut an die vorderen 130er an, ist nur wenig ortbar und erzeugt auch hinsichtlich Heim-Hifi-Ansprüchen einen wohl konturierten Bass. Vom pulvertrockenen Technobass, über rollendes Rap-Gegrummel bis hin zu knarzigen gezupften jazzigen Bassläufen beherrscht er die ganze Partitur. Das habe ich so von einem Car-Hifi-Subwoofer noch nicht gehört. Die hatte ich bis dato eher in die Schublade "lautes, aber indifferentes Tiefton-Geblubber" eingestuft.
Bild: Gegen den Sound muss sich Car-Hifi erst einmal durchsetzen können.
Auch der Kickbass und der Grundton machen ihre Sache gut. Ohne Tieftonbeschränkungen erzeugen die beiden Fussraum-130er auch schon ohne Subwoofer-Unterstützung einen tieferen und deutlich präziseren Bass als das ursprüngliche Gesamtsystem von Harman/Kardon inklusive Subwoofer. Die Stimmenwiedergabe ist klar und gut aufgelöst. Aus einer fiepsigen Rebekka Bakken wird keine sonor und aus voller Brust tönende Cassandra Wilson und umgekehrt. Apropos Cassandra Wilson: Bei tiefen Frauen- und auch Männerstimmen zeigt sich eine kleine Schwäche des Gesamt-Setups: Trotz Dämm- und Dämpfungsmassnahmen konnte dem Fussraum und Schweller seine Dröhnneigung nicht gänzlich abererzogen werden. Durch entsprechende Resonanzen dicken tiefe Stimmen auf und die Wiedergabe verliert an Präzision. Verschlimmert wird dieser Effekt noch dadurch, dass man ausgrechnet diesen Frequenzbereich für den Fahrbetrieb ein wenig hochregeln muss, damit Stimmen durch die überlagernden Fahrgeräusche nicht zu dünn ertönen. Im Stand kommt es dann bei höheren Pegeln zu den beschriebenen Beeinträchtigungen des guten Klangs.
"Obenherum" ist wieder alles uneingeschränkt in bester Ordnung. Herr Stegherr von car akusik hatte nicht zu viel versprochen, als er versprach, die Gewebekalotte des RS130 würde ohne jegliche Schärfen fein auflösen. In Zusammenspiel mit der Zeitkorrektur des 9887R ergibt sich so eine stabile Bühnenabbildung auf Höhe des Instrumententrägers. Der Fortschritt gegenüber dem Original H/K System ist auch hier frappierend. Wo bisher nur getrennt voneinander spielende Frequenzbereiche aus Fussrsaum und Türoberkante zu hören waren, kann man nun von echter Rechts-Links-Ortung sprechen. Die Höhe der Wiedergabe bleibt dabei stabil und rutscht nicht in den Fussraum ab. Ein Rear-System vermisst man ohnehin nicht. Bei einem kleinen Zweisitzer verpfuscht der sogenannte Rearfill meiner Meinung nach nur die Stereoabbilung.
Ach ja, vor lauter frequenzspezifischen Schwadronierens vergass ich etwas zur Überalles-Qualität und dem Fortschritt gegenüber der ursprünglichen Anlage zu sagen. Das liegt wohl daran, dass sich derartige Vergleichsbeschreibung so sinnvoll anliessen, wie von den Vorzügen einer hochwertigen Mittelklasse Heim-Anlage gegenüber einem Ghettoblaster zu berichten. Auch wenn es schmerzlich ist, es so direkt und hart zu sagen; es ist in der Tat so, dass ich die neue Car-Hifi-Anlage aus highfidelen Gesichtspunkten als annehmbar mit einem gewissen Spassfaktor bis hin zu mässigen Autobahngeschwindigkeiten beschreiben würde, während die ursprüngliche Anlage maximal für Staumeldungen und leise Hintergrundberieslungen taugte.
Von Musikgenuss konnte man zuvor nicht sprechen, jetzt kann man. Operation gelungen!