In diesem und den nächsten Kapiteln gehe ich näher auf die Technik der Tafal ein. Wer lieber die sachlich knappen Beschreibungen des Entwicklers Tonfeile liest, sei an dieser Stelle an die Original-Dokumentation als pdf unter Tafal Tonfeile Doku verwiesen und darf die nächsten Kapitel bis zu den Höreindrücken überspringen.
Unerschrockene Leser kommen nun in den Genuss "meines Senfs zum Thema".
Die Auslegung eines Kompaktlautsprechergehäuses ist eine vergleichsweise einfache Aufgabe: Keine grossen mitschwingenden Flächen, kaum Resonanzen oder stehende Wellen im Grundton, wie sie sich gerne in grossen Standlautsprechern ausbilden. Eine ausreichende Gehäusesteifigkeit ergibt sich fast von alleine und schalldurchlässige Flächen gibt es kaum zu dämmen. Für unerwünschte kritische Schalldurchlässigkeiten sorgen alleine die Membranflächen und Bassreflexöffnungen.
Bild 1: Frontansicht mit den notwendigen Ausschnitten.
Bild 2: Verrundungen der Frontplatte.
Bild 3: Seitenansicht im Schnitt.
So gibt es auch bei der Tafal keine Notwendigkeit für aufwendige Matrix-Innenkonstruktionen oder modische Freiformflächen. Dem geneigten Selbst-Nachbauer stellen sich also keine unüberwindbare Hindernisse in den Weg. Zwei Besonderheiten sind allerdings unbedingt zu beachten, da sie entscheidenen akustischen Beitrag zum Konzept leisten:
1. Bassreflex: Auch die Tafal ist ein ventilierter Lautsprecher. Die Tieftonausbeute wäre bei einem 13er auf 9 Liter Nettovolumen ansonsten auch deutlich schmalbrüstiger. Allerdings entschied sich Tonfeile nicht für das andernorts übliche Rohr oder einen Kanal im Gehäuse, sondern für die unverständlicherweise aus Mode gekommene Passivmembran. Das hat gleich mehrere Vorteile. Herausvagabundierende Mitteltonanteile, die das Klangbild gerade in diesem sensiblen Bereich überlagernd stören und eine eher diffuse und verfärbte Abbildung erzeugen, werden so effektiv vermieden. Strömungsgeräusche im Rohr oder Kompressionen durch zu kleine Bassreflexschlitze, wie sie bei höheren Pegeln vorkommen, entstehen bei einer Passivmembran konzeptbedingt auch nicht. Zu guter Letzt lässt sich der wirksame Frequenzbereich der ventilierten Unterstützung über die Einspannung und das Gewicht der Passivmenbran elegant einstellen. Hierzu im nächsten Kapitel mehr.
2. Frontplattendesign: Ob man es nun schön findet oder nicht, die Gestaltung der Frontplatte hat (nicht nur bei der Tafal) entscheidenden Einfluss auf das Abstrahlverhalten des Lautsprechers. Die Schallwandbreite gibt den bei der Abstrahlung der Präsenzen (also den für den Hochtöner eher tieferen Frequenzen von ca. 1 bis 4 kHz) unterstützten Bereich vor. Dies hat direkten Einfluss auf die Tonalität. Zudem haben an den Hochtöner angrenzende Gehäusekanten akustisch wirksamen Einfluss durch Schallbeugung und -brechung. Lautsprecherbauer sprechen hier gerne von der Kantendiffraktion. Vereinfacht kann man sich deren Wirkung so vorstellen, dass an den Gehäusekanten virtuelle neue Schallquellen entstehen, die mit dem Schall der Hochtonkalotte interferieren. Die Tafal begegnet diesen unerwünschten Effekten mit einheitlichen Abständen des Hochtöners zu den Gehäuseseiten und -deckel, was diese Effekte in zu den Seiten und nach oben gleichmässiger auftreten lässt; insbesondere aber mit grosszügig verrundeten Gehäusekanten zum Hochtöner hin, die die beschriebenen Interferenzen im relevanten Frequenzbereich auf einen größeren Frequenzbereich verteilen, wodurch der Einbruch auf Achse um 3,5 kHz deutlich flacher aber auch breiter ausfällt. Im Ergebnis soll sich ein besonders breites und homogenes, sowie störungsfreies Abstrahlverhalten ergeben, dass für gute räumliche Darstellung und eine ausgewogene Tonalität auch ausserhalb des Sweetspots sorgt. Gerne liest man auch, dass hierdurch der Lautsprecher aufstellungsunkritischer wird. Stimmt.
Wenn ich in jüngerer Vergangenheit in einem bekannten Selbstbaumagazin, aber auch den lobhudelnden Hifi-Magazinen, lese, dass sinngemäss eine saubere tonale Abstimmung nicht so wichtig sei und man bloss die Chassis nicht so doll beschalten soll, damit der Funfaktor nicht so kurz kommt; muss ich nach den Erfahrungen mit der Tafal schmunzeln. Naja, manchmal ärgere ich mich auch darüber, wie Fachleute, die es sicher besser wissen (müssten), den messtechnisch unterlegen ausgestatteten und meist weniger hörerfahrenen Leser für dumm verkaufen.
Hier ein wenig überzogener Hochbass, Präsenzsenken im Übergangsbereich der Chassis, die zudem höchst unterschiedliche Abstrahlverhalten aufweisen, welliger Verlauf in den Mitten und schön heftig überzogene Brillianzen für die nötige Frische. Hauptsache es hat einen hohen Wirkungsgrad und mit dynamikkomprimierter Radiomusik rummst es im Karton. Mit Hifi hat das alles nicht mehr viel zu tun. War nicht eigentlich die hohe Klangtreue in grauer Vorzeit einmal das Ziel der Audiophilen?
Wer, wie ich, auch einmal akustisch eingespielte Musik länger als wenige Minuten schmerzfrei geniessen möchte, der sollte unbedingt weiterlesen. Tonfeile bedient mit der Tafal ein Entwicklungsziel, dass bei all den Spass-DIY-Projekten und Hifi-Lautsprechern mit ihrem markenspezifischen Corporate-Identity-Sound fast ausnahmslos auf der Strecke geblieben ist: Eine möglichst unverfälschte und homogene Wiedergabe.
Bild 1: Hochpass ohne Entzerrung der Membranresonanz. Im Falle eines nicht modifizierten Seas TAF 27 Plus benötigt man einen Saugkreis (gestrichelter Kasten). Für den empfehlenswerten Fall der Modifikation "Entfernen des Diffusors" kann dieser Saugkreis entfallen.
Bild 2: Hochpass mit Entzerrung der Membranresonanz bei ca. 26 kHz. Achtung - hier bereits ohne den Saugkreis für den Diffusor abgebildet.
Das Ziel eines tonal ausgewogenen Frequenzgangs und eines sauberen Übertragungsverhaltens im Visier mündete über etliche Iterationsstufen in einer entsprechend sorgfältigen Beschaltung der Chassis. Dass es für den Hochtonzweig rechnerisch vier verschiedene Varianten gibt hat zweierlei Gründe: Erstens ist es möglich die, bei Hartmembranen unvermeidliche, Resonanz - durch Aufbrechen in Partialschwingungen zu hohen Frequenzen hin - elektrisch zu entzerren. Zweitens nimmt Tonfeile an dem TAF 27 Plus eine mechanische Modifikation vor - das Entfernen des durchsichtigen Diffusors auf der Innenseite des Schutzgitters - die einen Saugkreis überflüssig macht, der im Originalzustand für eine leichte Überhöhung im Brillianzbereich sorgt.
Die genauen, auch messtechnisch erfassbaren, Effekte der Modifikationen werden im Kapitel Messen dargestellt. Eine Empfehlung - auch aus meiner Erfahrung - ist, beim Hochtöner den Diffusor zu entfernen und den Hochpass aus Bild 1 ohne Saugkreis aufzubauen.
Tieftonzweig
Bild: Tiefpass für den Visaton AL 130.
Der schon etwas betagte AL 130 von Visaton kann zwar weder mit exotischem Membranmaterial aus Keramik oder Magnesium aufwarten, noch hat er einen schicken Phaseplug; muss sich aber trotzdem nicht vor vermeintlich highendigerer 13er oder 15er Konkurrenz auf dem Markt verstecken. Ganz im Gegenteil: Seine Breitbandigkeit, die mit nur 9 g geringe bewegte Masse, die maximal +/- 8,5 mm Hub und die tiefe mögliche Abstimmfrequenz müssen andere erst einmal erreichen. Bezüglich seiner Qualitäten spielt er unter den hochwertigen Tiefmitteltöner immer noch ganz vorne mit.
Zwei Dinge sollte man allerdings beim Einsatz des AL 130 beherzigen:
Wie bei jedem anderen Hartmembranchassis auch will die Membranresonanz (hier: ab ca. 6 kHz) ordentlich entzerrt werden. Wie unangnehm hart im Präsenzbereich viele Lautsprecher am Markt mit ihren Hartmembranen klingen zeugt davon, dass dieser Aspekt meist zu stiefmütterlich behandelt wird.
Für ein möglichst homogenes Abstrahlverhalten und eine gute Paargleichheit sollte man zudem versuchen gematchte Päarchen mit Messschrieb zu erhalten, um die sorfältige Abstimmung von Tonfeile und das gute Abstrahlverhalten der Tafal nicht zu konterkarieren.
Im Ergebnis (Bild oben) sieht man dann auch, dass die Anforderungen an die Beschaltung eines solchen Chassis nicht mit einer Spule in Serie erledigt sind. Ich selber war durch die häufig zu lesende Weisheit "nur möglichst wenig Beschaltung ist eine gute Beschaltung" verunsichert ob des getriebenen Aufwandes bei der Entzerrung der Tafal. Der allgemeinen Printmeinung nach muss es bei so vielen Frequenzweichenbauteilen ja undynamisch und langweilig klingen. Die genau gegenteilige Ansicht gibt es natürlich auch: Bei Isophon wird aktuell noch steilflankiger getrennt; da nur das der Weisheit letzter Schluss ist. Und diese Lautsprecher machen zwar alles mögliche verkehrt, langsam oder müde klingen sie indes nicht.
Nicht verrückt machen lassen und mit den technisch notwendigen Massnahmen an die Sachen gehen! Bei manch gutmütigen Papier- oder Kunststoffmembranern mag eine simple Weiche erster Ordnung schon genügen. Mit etwas Glück passt hier auch der mechanische Rolloff von Hoch- und Tieftöner so gut zusammen, dass sich automatisch symmetrische Flanken mit perfekten Summenfrequenzgang unter allen relevanten Winkeln ergeben. (Ja, wenns dann wirklich immer so schön wär`) Im Falle des AL 130 muss diesbezüglich nachgeholfen werden. Dass sich die sorgfältige Entzerrung und Anpassung des Übertragungsverhaltens an den Hochtöner und die Gesamtabstrahlcharakteristik sowohl messtechnisch belegen lässt, wie auch akustisch von Vorteil ist, werden wir im Weiteren noch sehen/hören.
Fertige Frequenzweiche
Bild: Fertig aufgbaut sieht die Weiche dann so aus.
Wenn man nun alle Frequenzweichenbauteile direkt miteinander verlötet, sieht das in etwa so aus wie auf obigem Bild. Für Löt-Ästheten geht das sicher auch in Schöner. Und angesichts des sich durchaus ergebenden highendigen Anspruches des Lautsprechers, darf gerne auch mit noch wertigeren Bauteilen, wie Folienspulen und verlustärmeren Kondensatoren und Widerständen experimentiert werden. Die von Tonfeile gewählten Komponenten geben aber erwiesenermassen schon eine sehr gelungene Vorstellung ab. Aber ich will hier nicht vorgreifen...