Selbstbau - Tonarm "The Unswayed"
Konstruktion
Analog zu den Selbstbau-Projekten Visaton VOX 200 MHT High End und Hifi-Rack gibt es auch hier die unansehlichen aber praktischen 2D-CAD Bildchen zum genauen Nachbau oder zur Anleihe einzelner konstruktiver Details.
Anmerkung zu den Bildern: Um die korrekte Darstellung der CAD-Bilder zu erhalten, wurden nicht alle auf ein kleines Bildformat
heruntergerechnet. Bei kleinen Browserfenstern oder Monitoren mit geringer Auflösung kann es standardmässig zu einer verkleinerter
Darstellung kommen. Eine Volldarstellung ist trotzdessen möglich - s. ggf. Hinweis in der Fusszeile der Pop-Up-Fenster.
Lager
Das Lager (fester Magnet am Lagerbock) und das Lagerstück (Fadenaufnahme und Magnet am bewegten Tonarmrohr) wurden von mir frei nach den Schröderschen Skizzen seiner Patentschrift konstruiert. Aus Respekt vor Frank Schröders Idee und zur Vorbeugung von China-Fakes habe ich die entsprechenden CAD-Zeichnungen im September 2007 entfernt.
Das Mass zur Anbindung an das Tonarmrohr (ohne Bild) wurde so gewählt, dass eine Pressverbindung mit der Holzrohr-Bohrung entsteht. Also: Entweder die Holzrohre zuerst fertigen lassen oder an dieser Stelle lieber ein wenig Übermass kalkulieren und die Bohrung des Holzrohres nachbearbeiten. Die Längsdurchbohrung dient der internen Kabelführung. Zusammen mit der Headshell ist es das einzige Bauteil aus Aluminium. Alle anderen Baugruppen wurden (cost no object) aus Edelstahl gefertigt. Aluminium, Kupfer, Messing oder Holz sind zwar gerade bei Plattenspielern sehr in Mode - was ausser Alu sicher auch resonanz-technisch Sinn ergibt - aber Edelstahl ist diesbezüglich sicher nicht schlechter, hat den Vorteil nicht zu korrodieren, ist aber deutlich schwerer zu bearbeiten.
Den gesamten Lagerbock im seitlichen Schnitt und in der Aufsicht (Dach abgeschnitten) sieht man auf Bild 1 unten - das Dach selber in der Aufsicht in Bild 2. Die rechte, grössere Bohrung im Dach dient der Aufnahme eines Fixierungsstiftes (Bild 4). Dieser arretiert den Tonarm in Ruheposition auf dem Tonarmlift. Hier sind auch andere Lösungen denkbar. Mutige und weniger grobmotorische Menschen können diese Einrichtung auch komplett entfallen lassen. Bild 3 zeigt die notwendige Hülse zu Befestigung des Rega-Lifts. Dieser sitzt unauffällig unter dem Lagerbock und ermöglicht die Verwendung des Rega-Lifts ohne zusätzliche Veschraubungen.
Im Bild 1 sieht man das Rändel mit Innengewinde im Schnitt und in der Aufsicht. Dieses essentielle Bauteil hält den oberen Knotenpunkt des Fadens und ermöglicht eine stufenlose Verstellung der Dämfpung (Abstand der Magnete zueinander) über eine Madenschraube. Die zweite Aufgabe des Rändels ist das Einbringen der Antiskatingkraft über das Tordieren des Fadens. Eine Fixierungseinrichtung für das Rändel ist nicht notwendig, da sich die Madenschraube und das gesamte Rändel allein durch die Flächenpressung - erzeugt von der Magnetkraft und dem Tonarmeigengewicht - unverrückbar in Position hält. Die Madenschraube in Bild 2 hat eine Durchbohrung zur Fadendruchführung. Die Senkung dient der Knotenaufnahme (obere Schraube) bzw. dazu, dass aus dem Einpunkt-Arm keiner mit einer Linienberührung wird (untere Schraube).
Anmerkung 1: Das Lochmass des Lagerbockes und das 9er-Mass des Rändel sollte unbedingt eine spielfreie, aber noch bewegliche Passung ergeben, sonst liegen sich die Magnete nachher nicht perfekt gegenüber. In obiger Zeichnung fehlt die Toleranz-Angabe. Ich habe daher später 9,05 zu 9,055 nachbearbeiten lassen müssen!
Anmerkung 2: Die Durchbohrung der Madenschraube muss u.U. 0,8mm betragen, wenn man entsprechend viele Filamente "durchfrümeln" will. Die Bohrungen sollten unbedingt entgrated werden - mehr dazu später.
Drehfreiheit
Bevor es an das Auskonstruieren des geschlossenen Gehäuseprofils (Lagerbock) gehen konnte, musste vorerst festgestellt werden, welche Bewegungsfreiheit (Schwenkwinkel) dem Tonarm in diesem Profil eingeräumt werden muss. Wie in Bild 1 erkennbar, lässt sich auch mit einem 2D-CAD-Tool auf einfache Weise die Abtastgeometrie eines Drehtonarm darstellen. Annahme für diese geometrische Überprüfung ist ein Tonarm mit der effektiven Länge von 10,5 Zoll - also 266,7mm - und ein Überhang von 15,4mm nach der Kalkulation von Bärwald. In dieser Konstellation schwenkt der Tonarm maximal 22,6 Grad von der äussersten zur innersten Rille. Um ein leichtes Auflegen und Abnehmen der Platten zu ermöglichen, sollte der Tonarm nicht im Weg stehen. Daher wurden eine minimale Bewegungsfreiheit von 30 Grad festgelegt.
In Bild 2 erkennt man, warum die Bewegungsfreiheit nicht einfach um ein noch sicheres Mass erhöht wurden ist. Denn umso mehr Bewegungsspielraum dem Tonarm gegeben wird, desto mehr Material muss von Edelstahlblock weggenommen werden. Ziel war es aber einen möglichst massives und resonanzarmes Gehäuse für die Lagerhaltung zu erreichen. Die weiss-linierten Kreisausschnitte stellen das Material dar, was nach der spanenden Bearbeitung noch stehen bleiben soll. Blau ist der geschwenkte Tonarm, der Rega-Lift und die untere Basis - wird im Weiteren beschrieben - zu erkennen.
Eine Besonderheit der Konstruktion ist zudem, dass der Lagerpunkt in Ruhelage nicht auf einer Linie mit dem Mittelpunkt des Lagerbocks und der Basis liegt. Diese kleine Asymmetrie lässt das Gegengewicht selbst bei gösster Annäherung an den Lagerpunkt in gleichem Abstand um den Lagerbock drehen. Im weiteren bleibt so auf beiden Seiten ungefähr die gleiche Menge Material stehen. Das geschlossene Gehäuseprofil sollte schliesslich nicht zu einer Alibi-Lösung mit einem kleinen zusätzlich Steg im Vergleich zum Schröderschen Design werden. Obwohl auch hier ein kleiner Steg am offenen Aluprofil des No.2 und der dps-Version die Steifigkeit um einiges erhöhen würde.
Erste Variante mit Tonarmausleger analog Transrotor
In einer frühen Version sollte der Selbstbau-Tonarm ähnlich den Transrotor-Lösungen oder auch dem Selbstbau-Tonarm von Michael Methe auf einem Ausleger an die Laufswerksbasis geschraubt werden. Ein Vorteil dieser Lösung ist sicher die fixierte geometrische Lage zwischen Tonarm und Plattenteller. Um mit verschiedenen Headshells, Tonarmlängen und Tonabnehmern experimentieren zu können, musste eine Längen- und Höhenverstellung entworfen werden, die gemäss der Designprämissen auch entsprechend massiv sein sollte. Das Bild zeigt ein erstes Design, dass bereits die Anschraubpunkte und das Design des ebenfalls noch angeschraubten Original-Transrotor-Rega-Ausleger berücksichtigt.
Schon nahezu fertig auskonstruiert wurde diese Variante zugunsten einer deutlich flexibleren und massiveren Konstruktion verworfen. Die lange flächige Aluminiumplatte schien mir zu resonanzanfällig; die Verstelleinrichtungen zu kompliziert und das Konzept konterkarierend; der Transrotor hätte seitens seines Schwerpunktes und trotz seines nicht unerheblichen Gewichts ein wenig "Schlagseite" bekommen; und das Ganze hätte auch ein wenig ausladend ausgesehen. Folgend beschriebene Basis ist da schon ein wenig eleganter.
Basis
Massiv, einfach, höhenverstellbar und für alle Tonarmlängen geeignet: Die frei stellbare Edelstahlbasis für den Lagerbock auf Bild 1 in Schnitt und Aufsicht.
Das M30 Feingewinde erlaubt die stufenlose Höhenverstellung des gesamten Lagerbocks. Sobald das finale Tonarmrohr und der endgültige Tonabnemher gefunden sein sollte, lässt sich mit einer speziellen Konterschraube (Bild 2) eine absolut steife Verbindung zwischen Lagerbock und Basis herstellen. Der im Boden eingedrehte Radius der Basis (Bild 1) dient der Aufnahme eines O-Rings zur Stellflächen-Entkopplung bzw. zum Ausgleich der kleinen Oberflächenunebenheiten meiner Schieferbasis. Die seitlichen Radien lockern lediglich die Optik des massiven Turms ein wenig auf.
Gewichte
Auch an die Gegengewichte werden einige funktionale Anforderungen gestellt: Durch deren tiefen Schwerpunkt wird erst eine vertikale Führung des Tonabnehmers erreicht. Bei einem radialsymmetrischen Gewicht, würde der Tonarm mehr oder minder stark um seinen Lagerpunkt kippeln. Zudem lässt sich theoretisch durch ein leicht exzentrische Fixierung des Gegengewichtes der Nadel-Azimuth justieren. Das Material der Gegengewichte sollte zudem von hoher Dichte sein, damit der Schwerpunkt möglichts nahe an den Lager- und Drehpunkt des Tonarms geführt werden kann. Hierdurch werden auch die geometrischen Ausmasse der Gegengewichte bei gleichzeitig langem Tonarmrohr und schwerem Tonabnehmer nicht zu gewaltig. Bei einer effektiven Länge von 10,5 Zoll und der Verwendung eines Ortofons mit Edelstahlkorpus (ca. 11g) muss bei dieser Konstruktion das Gegengewicht bereits ca. 270g schwer sein, wenn das Gewicht noch möglichst nah am Drehpunkt platziert werden soll. Noch "schwerere Fälle" erzeugen dann eine höhere effektive dynamische Masse des Tonarms, da das grösste Gewicht dann weiter hinten platziert werden muss - auch kein Beinbruch, wenn die Paarung mit dem Tonabnehmer passt. Ein entsprechend schweres Gewicht zeigt Bild 1 in einer Version ohne Dämpfungshülse, wie sie auch Michael Stolz von Musical Life verwendet, um einen möglichst straffen Bass zu erzielen. Von entsprecheden Versuchen werde ich berichten.
Bild 2 zeigt das gleiche Gewicht in einer konventionellen Version mit eingepresster Kunststoffhülse zur Dämpfung. Alternativ zum Kunststoff POM, der meiner Meinung nach geeignete Eigenschaften aufweist, sind auch andere Kunststoffe wie z.B. Vinyl denkbar. Über Ergebnisse entsprechender Versuche lasse ich mich gerne informieren.
Da obige Gewichte nur in der Paarung mit schweren Tonabnehmern und mindestens 10,5 Zoll Länge funktionieren, musste auch ein Gewicht für kürzere und leichtere Varianten erzeugt werden. Das ca. 142g schwere Gewicht in Bild 3 erlaubt auch den Betrieb von leichten Tonabnehmern an Rega-kurzen 8,7 Zoll.
Headshell
Das Headshell-Design (September 2007 CAD-Zeichnungen entfernt) ist von vielen anderen Herstellern hinreichend bekannt. Die zweiteilige Ausführungen aus Drehstück zur Anbringung (Pressverbindung) an das Tonarmrohr und Headshell-Platte mit halbzölliger Bohrung für den Tonabnehmer, ermöglicht die variable Anpassung an unterschiedliche Tonarmlängen und Null-Durchgänge bei der Plattenabtastung.
Anmerkungen nach Frank Schröder September 2007:
Das beschriebene Design beruht auf der Idee von Frank Schröder und wurde mangels rechtlichem Schutz mittlerweile von anderen kommerziellen Anbietern kopiert. Um weiteren kommerziellen Kopierern vorzubeugen, sind nun auch auf meiner Seite keine bemassten CAD-Zeichnungen mehr abrufbar.
Der unperfekte Tonarm
So genial das Schrödersche Lagerkonzept auch ist, bei meinem DIY-Tonarm gibt es auch einige eher unerwünschte Eigenschaften (siehe dazu auch unten Bild 1 und 2):
Lagerpunkt: Der ist nicht "in Stein gemeisselt" und im Rahmen der Magnetdämfpung leicht beweglich.
Anmerkungen nach Frank Schröder September 2007: Die Geometriem der Schröderschen Lagerkunstruktion sind so ausgelegt, dass die typischen Einschränkungen der DIY-Schröder-Klone beim Original nicht zu verzeichnen sind.
Auflagekraft und Dämpfung: Diese Parameter sind ebenfalls nicht vollkommen fix. Sie können sich dynamisch - abhängig von der Welligkeit einer Platte und inhomogenen Magnetfeldern (nicht perfekte Magnete) innerhalb einer Plattenumdrehung und-oder von der äusseren zur inneren Rille hin - verändern.
Anmerkungen nach Frank Schröder September 2007: Die Qualität der Magnete ist für konstante Lagereigenschaften unter allen Abtastbedingungen (über den Plattenradius und bei Platten mit Höhenschlag) von entscheidender Bedeutung. Insbesondere eine präzise geometrische Form und homogene Magnetfeldeigenschaften sind entscheidend. Bezüglich dieser Eigenschaften sind nicht alle im WWW erhältlichen Magnete gut geeignet für einen Schröder-Klon. So verwendet Frank Schröder selbst spezielle Magnete, deren Bezugsquelle er natürlich nicht preisgibt.
Geometrie der Magnete: Selbst mit sehr starken Neodymmagneten (N50 oder N52) müssen die Magnete, um die notwendige Dämpfung und Fixierung des Lagerpunktes (die Magnete ziehen sich bis ca. 5 kg-Haltekraft an) zu erzeugen, eine Mindestgrösse besitzen. Hierdruch wird ein Magnetfeld mit entsprechenden geometrischen Ausmassen erzeugt, dass nicht mit dem "Lagerpunkt" - der Stelle an der das untere Knötchen des Fadens an die Madenschraube (Schröder: Magnet-Bohrung) grenzt - in Deckung ist. Streng genommen ist die beschriebene Stelle auch nicht exakt der Lagerpunkt, um den sich die bewegten Teile des Tonarms drehen. Dieser liegt - eben nicht exakt definierbar - unterhalb der beschriebenen Position. Durch Höhenschläge in der Platte kippt nun der obere Magnet um diesen indifferenten virtuellen (Lager-)Punkt. Im Falle meiner Konstruktion ein wenig anders als bei der Schröderschen, da in meinem Falle der Knoten oberhalb des oberen Magneten liegt, im Falle des Schröders innerhalb des oberen Magneten. Für beide Fälle gilt allerdings, dass sich das Magnetfeld in Stärke und geometrische Ausdehnung durch diese Schiefstellung verändert und so Einfluss auf Dämpfung, Auflagekraft und effektive Tonarmlänge nehmen kann. Wobei letztere im Idealfall sogar konstant bleibt, wenn durch die Tonabnehmer-Aufwärtsbewegung sich der obere Magnet um den virtuellen Lagerpunkt in passenden Verhältnis nach hinten bewegt. Ich hatte es eingangs erwähnt: Beim zweiten Blick auf diese Konstruktion muss man feststellen, dass die Detailvorgänge beim Abtastvorgang gar nicht so simpel sind wie die prinzipiell simple Konstruktion vermuten lässt.
Bild 1: Gesamtkonstruktion im seitlichen Schnitt
Bild 2: Aufsicht - teilweise im Schnitt
Die oben beschriebenen "Nachteile" muss man allerdings im richtigen Licht betrachten:
1. Der bewegliche Lagerpunkt ist teilweise gewollt, gleicht er u.a. die in Punkt 4 beschriebenen Geometrieunzulänglichkeiten etwas aus.
2. Ich habe mit einer 100stel-Gramm-Waage in verschiedenen Tonarmrohr-Tonabnehmer-Paarungen maximal 2 Prozent Veränderung der Auflagekraft über den Tonarm-Drehwinkel feststellen können. Auch das kann keiner hören. Im weiteren zeigt sich das die von mir beschafften Magnete wohl nicht so ungeeignet für das Projekt sind.
3. Hierzu liest man am besten einige der zahlreichen Postings von Frank Schröder im diyaudio-Forum. Kurz: Es scheint als hätte sich Frank Schröder mehr dabei gedacht als nur ein Holzrohr an einen Faden zu hängen. Ob alle von mir oben beschriebenen Eigenschaften nun unvermeindbare, aber vernachlässigbare Eigenheiten der Lagerkonstruktion sind, oder diese bewusst von Frank Schröder so designt und abgestimmt wurden, liegt im Glauben des Lesers. Klingen tut es trotz alledem - oder eben gerade deswegen - ganz prima. Aber dazu später mehr.