Dem monegassischen Hifistudio Sound Galleries war es zu verdanken die in Deutschland nicht erhältichen Lautsprecher von Rethm und Röhrenverstärker von Audiopax hören zu dürfen. Und die fehlende Beachtung in Deutschland ist - soviel sei hier schon verraten - wirklich schade.
Bild 1: Im grösseren Seminarraum konnten die Rethm Saadhana völlig frei im Raum stehen. Die Regelung der Bass-Aktivmodule ermöglicht eine Raumanpassung.
Bild 2: Audiopax Endstufe Model 88 mit sog. Timbre Lock (Regler vorne im Bild).
Bild 3: Die Röhrenvorstufe Audiopax Model 5 (erkennbar an den Acrylreglern) steht in einem i-cone Rack im Stahlwerk-Look.
Die Vorführung der Exoten aus Brasilien und Indien geriet für mich nämlich fast zum best-sound-of-show (den ich für 2014 nicht vergeben habe). All jene, denen die Vorführungen bei Active Audio zu perfekt und unspektakulär geraten, könnten hier glücklich werden ohne all zu sehr in die Röhren- und Breitbänder-Sounding Ecke abzurutschen. Im Folgenden erkläre ich kurz warum den beiden Firmen der Spagat zwischen involvierender Musikreproduktion und weitgehend tonaler Fehlerfreiheit, sowie Verzerrungsarmut trotz der antiquierten Konzepte so gut gelang:
AudioPax
Die Hintergründe zu Audiopax sind noch vergleichsweise schnell erzählt: Der Firmeninhaber Eduardo de Lima machte sich in den 90er daran einen eigenen Röhrenverstärker zu bauen. Seit Beginn der 2000er Jahre sind zumindest den Amerikanern so die brasilianschen Röhrenverstärker von Audiopax ein Begriff. Offenbar hat sich Audiopax einige Gedanken zu den Defiziten von Röhrenverstärkern gemacht und einige Kniffe entwickelt diesen entgegen zu wirken. Welche Schaltungstechnik tatsächlich hinter den geschützen Begriffen Timbre Lock, IDS oder Astat/MPS steckt, ist über die Herstellerseite allerdings nicht heraus zu finden. Zumindest über die Timbre Lock Einrichtung der Endstufe Modell 88 (Regler mit LEDs im Bild 2 vorne) ist so viel zu erfahren, dass über eine Verstellung der Ausgangstrafos zu einander eine bessere Anpassung an den Lautsprecher erfolgen soll. Wer bereits einmal die Frequenzgang-verbiegenden Effekte eines Röhrenvestärkers mit seinen Ausgangstrafos an einem nicht-impedanz-linearisierten Lautsprecher (das sind die meisten) hören durfte, weiss dass das verfolgte Ziel dieser Technik zumindest sinnvoll ist. Wie auch immer die schaltungstechnischen Kniffe bei Audiopax funktionieren sollten, sicher ist dass es sich beim 88er um um eine single-ended ClassA Röhre mit 2x 15W oder 1x 30W handelt. Diese kosten in Amerika, wie die in weiten Bereichen einstellbare Vorstufe auch, ca. 6.000 USD.
Rethm
Mit der geringen Ausgangsleistung der Audiopax Monos hat die Rethm Saadhana kein Problem. Handelt es sich bei dem indischen Lautsprecher doch um ein wirkungsgradstarken Breitbänder, der im Tiefton von einem aktiven Subwoofer unterstützt wird. Neben der eigenwilligen Optik und dem hochwertigen Finish gibt es ein paar Besonderheiten, die eine nähere Betrachtung Wert sind.
Bild: Den an Lowther erinnernden Papier-Breitbänder mit Schwirrkonus stellt Rethm selber her.
Angefangen hat Rethm Ende der 90er Jahre - bis auf die ungewöhnlich schmale, aber tiefe röhrenförmige Optik der Gehäuse - relativ gewöhnlich: Lowther an ein back-loaded Horn anschliessen und Hochwirkungsgrad-Fans beglücken. Über mehrere Iterationsstufen neuer Modelle, die man bis zur Fifth Rethm durchnummerierte, reifte anscheinend die Erkenntnis, dass ein solches Konzept auch bei weiterer Detailoptimierung immer nur stark kompromissbehaftet funktionieren kann, und dass man Dinge grundlegend ändern musste. An einem leichten Papierbreitbänder mit Schwirrkonus hielt man zwar fest, brachte aber zwei entscheidende Neuerungen:
(1) Rethm entwickelte einen eigenen 7-Zoll-Breitbänder. Eine spezifische Prägung der Membran, Löcher im Schwirrkonus und ein seltsam geformter Phaseplug zeugen von dem Willen dem Breitbänder gute Manieren anzuerziehen. An dem 2,4m langen röhrenförmigen Horn soll er für gut 100dB und bis zu 50Hz Tiefgang (bei welchem Pegel?) gut sein.
An letztere Angabe glaubt man bei Rethm selber wohl nicht so richtig und tut das einzig Vernünftige zur Erweiterung der Tieftonfähigkeit, ohne das Breitbänderkonzept zu überreizen: Man ergänzt den Breitbänder um einen aktiven Subwoofer (2). Auch in diesem Fall wird man dem eigenen Anspruch gerecht und nimmt nicht ein x-beliebiges schweres Heimkinochassis mit 1.000W ClassD Amp von der Stange, sondern entwickelt eine Lösung, die auch klanglich zum leichten Breitbänder passt: Ein Isobaric-Bass-System aus drei 7-Zoll-Chassis, die auf ein kurzes Horn in Richtung Boden ankoppeln und so mit einem eingebauten 120W-Verstärker auskommen.
Bei einem Isobaric-System handelt es sich um hintereinander liegende Tieftöner in eigenen kleinen Gehäusen, wobei der Äussere theoretisch ein nahezu unendlich grosses Gehäuse "sieht", da ihm das gleiche Chassis parallel verschaltet im Rücken schwingt. Durch dieses Konzept, das auch Dynaudio, Wilson Benesch oder auch ESP Loudspeaker einsetzen, lassen sich in kleinen Gehäusen tiefe Abstimmungen erzielen. Die Saadhana kommt so angeblich bis auf 18Hz untere Grenzfrequenz hinunter. Praktisch ist auf jedenfall die Pegelregelung und die Einstellung des Tiefpasses zwischen 75 und 150Hz, womit Rethm indirekt auch eine realsitische Einschätzung der Tieftonfähigkeit des darüber laufenden Breitbänders gibt. In Anbetracht des getriebenen Aufwandes, des Teilaktivkonzeptes und des hochwertigen Finishs halte ich zumindest die in USA aufgerufenen 15.000 USD pro Paar für angemessen. Hierbei helfen sicher auch die indischen Produktionskosten. Die kleineren ähnlich konzeptionierten Modelle Trishna und Maarga wechseln in Amerika für 5.000 bzw. 8.500 USD pro Paar den Besitzer. Schade, dass hier kein deutscher Importeur aufspringt.
Höreindrücke
Das liegt viellleicht daran, dass sie unsere heimischen Produkte im direkten Vergleich in Bedrängnis bringen würden. Die Saadhana klangen nämlich ganz hervorragend an den Audiopax Verstärkern. Neben der zu erwartenden luftigen und dynamisch anspringenden Wiedergabe bei sehr plastischer Abbildung, gab es nämlich auch in den Pflichtkategorien lineare und nicht-lineare Verzerrungen wenig zu meckern. Zumindest bei der gewählten sehr freien Aufstellung in dem grösseren Seminarraum stimmte die Tonalität. Frei von dem ansonsten bei derartigen Breitbandkonzepten aufdringlichen näselnden Überpräsenzen, konnte man auch Gesang oder Klassik durchaus länger geniessen. Ein weiterer Vorteil wird bei grobdynamisch fordernder Kost wie manchen Rock oder Blues Stücken offenbar. Auch bei deftigen Bassdrum Kicks geht dem teilaktiven Konzept nicht die Puste aus oder lässt das Klangbild verzerrt verschwimmen. Und auch nicht-lineare Verzerrungen hielten sich in Grenzen. Wer also auf die noch untrüglichere Sauberkeit einer Avalon verzichten kann, dafür aber mehr in luftigen Klangräumen voller Klangfarben schwelgen möchte könnte hier fündig werden.
Fazit: Die in Deutschland leider nicht erhältlichen Exoten aus Indien und Brasilien bringen sogar mich mit Ihrer zugleich sauberen aber auch emotional ansprechenden Spielweise in Versuchung auf die dunkle Seite der Breitbänder und Röhrenverstärker zu wechseln. Würde ich mir gerne noch einmal unter definierten Bedingungen mit kritischem Material anhören.