Wie auch schon die beiden Messejahre zuvor, sind die Möglichkeiten der Acourate Software so mächtig, dass ein Probehören auf der Messe und ein kleiner Messebericht nicht ausreichen, um der Materie gercht zu werden. Um es mir als Schreiberling noch schwerer zu machen, haben sich die Entwickler der Beteiligten Unternehmen bezüglich des getriebenen Aufwandes selbst übertroffen. Ich erspare mir und dem geneiten Leser daher seitenweisen Techtalk und wilde Klangbeschreibungen und versuche nur ein kleines Messe-Spotlight zu werden. Mal sehen, ob es gelingt...
Aufwendigstes Aktivkonzept der Messe
Bild 1: Sehr aufwendige Vorführkette bei AudioVero.
Bild 2: Vollaktiv betrieben und via Acourate entzerrte Lautsprecher von AudioVero - links der Horbach-Keele Dipol, rechts ein turmhoher 5-Wegerich.
Bild 2: Der nicht vorgeführte Aussteller von Feirtag Acoustic scheint das Mark-O Projekt von Hifi-Selbstbau von der HMW 2009 zu sein.
AudioVero ist Acourate Vertrieb und Dienstleister für Anlagenoptimierung mit Acourate. Für die Hifi-Music-World ist er in die Vollen gegangen: Nicht weniger als ein Quasi-D`Appolito-Konzeptlautsprecher mit 4 Wegen in Dipolausführung und ein noch grösserer geschlossener 5-Wege-Lautsprecher wurden als Vollaktiv-Konzepte mit der hierfür geeigneten Software von Acourate entwickelt. Der Inhaber und Entwickler von Acourate - Dr. Ulrich Brüggemann - stellte das Leistungsvermögen der Software zudem persönlich vor und erklärte in groben Zügen deren Funktionsweise, die auf FIR-Filter basiert. Die professionell gefertigten Gehäuse steuerte die Schreinerei Feirtag Acoustic bei. Leider stellten die Herren aus Bayern - nicht wie im letzten Jahr - Ihre eigenen Hornkonstruktionen vor. Gewünscht hätte ich mir zudem auch ein paar Aussteller aus Feirtags eigenen Plattenspielerkonstruktionen. In der volldigitalen Kette von AudioVero hätten die wohl wie ein unpassender Anachronismus gewirkt - trotzdem schade.
Vor der Praxis: Ein wenig Theorie
Bild 1: Dr. Ulrich Brüggemann steigt gleich mit der "Kleinigkeit" eines 6-Wege-Designs in die Acourate Software ein.
Bild 2: Ausreichend Verstärker und einen amtlichen DA-Wandler benötigt man für so grosse Aktivkonzepte allerdings schon.
Bild 3 und 4: Am Rechner lassen sich die im Hörraum gemessenen Pegelverläufe über die Frequenz (rosa und türkis) auf die gewünschte Zielkurve bzw. -strich (orange) verbiegen. Ein linealgerader Summenfrequenzgang ist in einer typischen Hörraumsituation allerdings nur schwer verdaulich und wirkt meist blutleer und zu hell.
Ja, da muss man durch, wenn man sich mit der Acourate Software als Selbstbauer beschäftigen will - und es hilft auch denjenigen, die sich einfach ein Audiovolver bestellen und einen Vor-Ort-Service nutzen, zu verstehen, was da auf digitaler Ebene mit dem Quellsignal passiert und welche Auswirkungen das auf dem resultierenden Schall am Hörplatz hat.
Auf dieser Hifi-Music-World dozierte der Acourate Erfinder Dr. Ulrich Brüggemann persönlich über die Wirkungsweise und Bedienung seiner Software und zeigte exemplarisch wie sich ein - passiv gefiltert kaum mehr zu beherrschendes Mehr-Wege-Lautsprecher-Monstrum - über die Software und den Aktivbetrieb doch noch dazu überreden lassen kann, vernünftige Schallanteile am Hörplatz ankommen zu lassen.
Ein ganz praktischer Blick auf die versammelte Elektronik
Bild 1: Gesamte AudioVero Anlage.
Bild 2: Die Aktivelektronik besteht aus einem professionellen RME ADI-192 DD 8-Kanal-AD-DA-Wandler und ausreichend vielen Endstufen - hier die S2150 vom amerikanischen ClassD Pionier Tact Audio. Pikantes Detail am Rande: Tact Audio bietet seinerseits bereits seit 1998 erfolgreich diverse Raumkorrektur-Systeme an.
Bild 3: Digitales Frontend (von oben: Logitech Squeezebox touch, Marantz CD-17 MK2, Apogee Big Ben Masterclock für das Clocking von bis zu 6 Geräte, lüfterloser HFX Mini Multimedia-Computer.
Bild 4: Horbach-Keele Dipol von vorn mit Top-Chassis von Seas (Hochton, Mittelton, Tiefmittelton) und Peerless (Tiefton).
Bild 5: Horbach-Keele Dipol von hinten. Nachdem die Seas Excel Magnesiumkalotte T29MF001 - wie jeder andere Kalottenhochtöner - nur nach vorne abstrahlt, braucht es für einen richtigen Vollbereichsdipol eine zweite Kalotten an der Rückseite. Da kommt alleine Chassis-seitig ein hübsches Sümmchen zusammen!
Bild 6: 5-Wege-Monstrum in der Rückansicht.
Wie versprochen an dieser Stelle keine ermüdende Abhandlung zu dieser erschlagenden Ansammlung von Technik.
Nach der Theorie: Ein wenig Musik
Bild 1: Weil es so beeindruckend ist: Nochmal das aufwendige Ensemble im Überblick.
Bild 2: Norwegische Hightechtöner von Seas: T29MF001 Magnesiumkalotte; W12CY001 Magnesium Tiefmitteltöner, L18RNX Aluminium Tiefmitteltöner.
Bild 3: Auf der Rückseite ist gut die Fadenaufhängung, die grosszügig hinterlüfteten Chassis und der zweite Hochtöner zu erkennen.
Die Übertragbarkeit meiner Hörnotizen auf andere Anlagen, Hörpositionen und Geschmäcker ist wahrscheinlich nur eingeschränkt möglich. Das liegt daran, dass die Acourate Korrektur auf eine Messmikrofonposition eingemessen wird und die Tonalität dort so klingt, wie man es via Zielkurve einstellt. Sollte es einem also zu hell oder zu dunkel klingen, kann man das also per Mausklick ändern.
Ich schreibe es trotzdem: Diverse sehr dynamische Stücke erklangen über den 5-Wege-Turm trocken, tonal weitgehend neutral und im Tiefton sehr tief, schnell und knackig. Überhaupt ist der aktiv entzerrte Bass das Filetstück dieser Kombination. So schnell, sauber, konturiert und perfekt in das Klangbild integriert bekommt man das nur aktiv entzerrt und mit ausreichend Membranfläche und Verstärkerleistung hin.
Für meinen Geschmack gab es neben diesem Highlight aber auch Schatten: Präsenzen waren etwas zu vorlaut, wodurch kritisch abgemischte Stimmen zum "Kippen" oder "Schreien" tendierten. Die Bühnenabbildung gelang auf meinen Hörplatzen nicht glaubwürdig. Das Bühne wirkte flach und das Klangbild "klebte" an den Lautsprechern. In Summe empfand ich den Vortrag seltsam nüchtern und musikalisch wenig anrührend. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Dieses hatte ich angesichts des getriebenen Aufwandes aber auch erwartet.
Auch nach dem Wechsel auf den Horbach-Keele Dipol kam ich zu ähnlichen Klangeindrücken: Tonalität, Zeitrichtigkeit, Auflösungsvermögen und insbesondere der Tiefton sind erwartungsgemäß perfekt. Gerade tieftonstarke rythmische Musik erklingt spektakulär sauber, energiereich und richtig. Das schaffen Passivlautsprecher so nicht. Ein Beispiel: Die Bassdrum von Eagles Hotel California war wirklich phänomenal. Wenn man so ein potentes aktiv entzerrtes Konzept noch nicht gehört hat, bleibt einem da die Spucke weg.
Andererseits fehlte die Bühnendarstellung komplett. Ich hatte das Gefühl das alle Noten richtig wiedergegeben werden, ich aber keine virtuelle Bühne vor mir aufbauen wollte. Zudem wirkten Stimmen auch über diesen Lautsprecher in den Präsenzen ein wenig hart. Das Klangbild hat eine leicht "glasige" Note. Ulla Meineckes Stimme in "Die Tänzerin" drohte für meinen Geschmack immer ein wenig eins Schreiende zu kippen. Seltsam.
Dass man auf der anderen Seite aber auch mit Acourate (sogar auf die Schnelle) einem bestehenden Passivlautsprecher auf die Sprünge helfen kann, demonstrierte Definite Audio Special 1: Mammut Workshop mit Acourate/Definite Audio
Definite Audio mit Desktop-Anlage
Ein schöner Anwendungsfall für die Acourate Software ist die Entzerrung von Kleinanlagen und schwierigen Hörraumsituationen. Beides konnte Definite Audio exemplarisch an folgender modernen Desktop-Anlage demonstrieren.
Bild 1: Ob die Acourate korrigierte Desktopanlage dem Hifi-Nachwuchs gefallen hat?
Bild 2: Audiovolver mit Streamingfunktion, Verstärker und Lautsprecher - fertig ist die Hifi-Anlage.
Bild 3: Nein, im 1950 EUR Messepaket sind leider nicht das iPad, Verstärker und Lautsprecher enthalten gewesen; sondern der Audiovolver Basic mit Acourate Lizenz, sowie ein kalibriertes Messmikro Rational Acoustis RTA-420 und der preiswerte Mikrofonverstärker Omnitronic LH-045.
Bild 4: Der dänische ClassD Verstärker Sumoh TinyAmp S30 (rechts) ist kaum grösser als das zuspielende iPad.
Bild 5: Auf dem Bild sind gut der Mikrofonverstärker (rechts vorne) und der Router (links), zwischen WLAN-Zuspieler und Audiovolver, zu sehen.
Eine ausführliche Bescheibung der Acourate Software in Verbindung mit den Audio-Rechnern von Definite Audio habe ich bereits im Bericht der Hifi-Music-World 2009.
Die "große" Vorführung überliess man in diesem Jahr AudioVero.
Die Vorführung an der winzigen Desktop-Anlage als niedliche Randerscheinung abzutun, würde dieser nicht gerecht werden. Zum einen lässt sich gerade auf unzureichenden Winz-Lautsprecher und unter der ungünstigen Abhörsituation auf dem Schreibtisch die segensreiche Wirkung der Entzerrung und Zeitkorrektur vorführen; zum anderen demonstrierte die gesamte aufgebaute Kette exemplarisch wie ein moderne Hifi-Anlage - gerne auch eine Nummer grösser - aussehen kann: Bedienung oder sogar Abspielen über einen Tablet-PC, wie hier das modische Apfel-Produkt, Streamen über DSL-Router und Audiovolver, Acourate-Korrektur über Audiovolver und Wiedergabe über Aktivlautsprecher oder effizienten ClassD-Verstärker und Lautsprecher. Fertig ist die optisch zurück haltende, aber effektive Hifi-Anlage.
Der Verstärker Sumoh TinyAmp S30 wurde eigentlich für den Betrieb mit der Logitech Squeezebox entwickelt, funktioniert aber natürlich auch an einem Audiovolver oder anderen Streamern. Aufgrund seines speziellen Einsatzzweckes verfügt er zwei erwähnenswerte Besonderheiten: Einen Spannungsausgang für die Versorgung einer Squeezebox. Und einen Digitaleingang, der bei Anliegen eines Signals den Verstärker aus dem Stand-by aufweckt. Über diesen Digitaleingang (der einzige Eingang des Gerätes) wird ein digital lautstärke-geregeltes Signal erwartet, da der Sumoh lediglich eine Stereoendtufe ist und die Lautstärkeregelung vom Zuspieler erwartet - also bitte keine ungeregelten CD-Player oder dergleichen anschliessen, dann gibts was auf die Ohren. Das nur 900 g leichte Kästchen kann aufrgund seiner ClassD Schaltung beachtliche 2x 30 W an 4 Ohm ausgeben, was in vielen Fällen wohl ausreichend ist. Mit 200 EUR ist es zwar etwas teurer als chinesische NoName-Ware aus dem Online-Auktionshaus, aber noch bezahlbar gepreist.
Über Acourate entzerrt und hierdurch auch von physikalisch unsinnigem Tiefstton befreit, spielte das Ensemble unerwartet gross und komplett auf. Das Nahfeld-Staging war beeindruckend. Für meinen Geschmack hätte der Grundton noch etwas fülliger sein dürfen, dann würde man bei geschlossenen Augen die bescheidenen Abmessungen des Mini-Lautsprechers gänzlich vergessen. Aber das wäre über Acourate - innerhalb der Pegelgrenzen des Lautsprechers - korrigierbar. Eine gute Vorführung.