Nach Acourate bei AudioVero und Definite Audio; und DSPeaker bei AK-Soundservice, nun mit Dirac also der dritte Raumklang-Verbesserungsrechner, der mit Mikro und ein paar FIR-Filtern bewaffnet für optimale Verhältnisse bei nicht optimalen Bedingungen sorgen soll!?
Best Newcomer
Naja, so ganz stimmt meine scheinbar missbilligende Einleitung nicht. Zwar ähneln sich Anspruch und Rechenlogik im weiteren Sinne, aber bei näherer Betrachtung unterscheiden sich die genannten Produkte doch deutlich.
Bild 1: Auf den ersten Blick eher bescheidene Vorführkette.
Bild 2: Den schwedischen-chinesischen Verstärker XTZ A100D3 kennen wir schon vom Deutschland Vertrieb Hifi-Selbstbau bzw. Mind Audio. Als Zuspieler diente ein Laptop von der Marke mit dem Apfel. Mikrofonverstärker kamen Roland´s UA-55 Quad-Capture und die preiswerte Lösung von XTZ zum Einsatz.
Bild 3: Der Vollverstärker mit DA-Wandler heisst nicht nur Class A100, sondern schafft tatsächlich bis zu 2x 50W im ClassA Betrieb - in ClassAB werden dann bis zu 2x 180W draus.
Wo liegen also die Unterschiede beim schwedischen Spezialisten Dirac Research, der auf der Hifi-Music-World seine Premiere für Heimanwender feierte, gegenüber den bereits am Markt etablierten Anbietern?
Zuerst muss man sich, trotz der vergleichsweise leisen und bescheidenen Präsentation der Schweden und dem Newcomer Image in der DIY-Welt, von dem Eindruck verabschieden, man habe es bei Dirac mit Anfängern zu tun. Das Gegenteil ist der Fall: Der schwedische Spezialist für Klangoptimierungsverfahren ist seit Jahren auf dem Retailer Markt vertreten und kann mit grosser Sicherheit die mit Abstand meisten Kunden für sich verbuchen.So habe ich indirekt von der High End 2007 über eine Endkundenanwendung mit Dirac-Korrektur berichtet. Und die war wirklich höchst beeindruckend. "Leider" musste man sich allerdings bis dato einen BMW mit der Sonderausstattung M-Individual High End Audio anschaffen, um in den Genuss der Klangoptimierung durch Dirac zu kommen. Im Falle des ausgestellten M5 sicher alles andere als eine unattraktive Anschaffung - sehr schöner Familienwagen. Allerdings auch recht kostspielig. Und manchmal sitzen wir Hifi-Selbstbauer ja auch in den eigenen vier Wänden anstatt im Auto. Dank der Entscheidung, ihre Software Heimanwender-tauglich zu machen und direkt an Endkunden zu vertreiben, ist auch das nun möglich.
Kurze Abschweifung zu XTZ
Geräte und Lautsprecher kamen von der schwedischen Marke XTZ, die wir DIY-ler schon vom deutschen Direktvertrieb Hifi-Selbstbau kennen. Die völlig zu Unrecht noch unbekannte Marke hat sich eine kurze Beschreibung verdient:
Welches Preisschild würde der Fachpresse-Belesene bei der Beschreibung des Vollverstärkers XTZ A100D3 wohl erwarten:
22kg schwerer skandinavischer ClassA bzw. auf ClassAB umschaltbarer Vollverstärker-Bolide mit bis zu 2x 180W. Symmetrisches Schaltungsdesign, Präzisionspoti in 0,5dB Schritten, modularer Aufbau mit Schirmung, integrierter DA-Wandler und MM/MC Phonovorstufe. Das ganze in dickwandiges Aluminium verpackt und mit einer schicken Alu-Fernbedienung garniert.
Bekommt man sowas heute noch zu vierstelligem Kurs, oder schon 5-stellig?
699 EUR verlangt Mind Audio inkl. Mehrwertsteuer.
Dass zu diesem Kurs kein Schwede hier Bauteile lötet, Gehäuse montiert oder auch nur Kartons packt ist wohl klar. Woher die Geräte stammen dann auch. Nicht zuletzt, dass die Geräte denen der französischen Marke Advance Acoustic sehr ähneln, zeugt davon wie der Markt heutiger Unterhaltungselektronik funktioniert: China ist längst nicht mehr nur die verlängerte Werkbank mit suizid-gefährdeten Dumpinglöhnern, sondern hat durchaus eigene höchst moderne Audiomodule für jeden Anwendungsfall parat. Hieraus sind schnell ein paar schicke Geräte gebaut. So ist vieles was uns auch auf der High End präsentiert wird, auf Basis solcher Komponenten aufgebaut. Von der Auftragsfertigung einzelner Platinen und Gehäuse, die hierzulande eventuell noch geprüft und neu umverpackt werden, bishin zum reinen Branding - also der Abnahme einer bstimmten Stückzahl an Fertiggeräten mit eigenem Markenlogo - ist alles möglich.
Solange mir solche Geräte nicht unter dem "Made by" Logo, und zu den erwähnten 4- bis 5-stelligen Preisschildern von der heimischen Presse und Händlern angepriesen werden, sondern im Direktvertrieb zu den höchst erfreulichen Konditionen, bin ich bereit diese neue Hifi-Welt zu akzeptieren.
Aber zurück zu Dirac:
Auch hier ein wenig Theorie
Bild 1 bis 3: Passend zur sehr einfachen Bedienung der Korrektur-Software, war auch die Darstellung der Wirkungsweise kurz und einfach.
Neben den üblichen FIR-Filtern zur Optimierung von Pegel und Phase über die Frequenz, verwendet Dirac (abweichend von bsw. Acourate) diese nur für den Einschwingvorgang. Für den Ausschwingvorgang werden IIR-Filter verwendet. Durch diese Auftrennung wird weniger Rechenleistung benötigt als bei der ausschliesslichen Verwendung von FIR-Filtern. Hintergrund für diese Abweichung ist wohl in dem bisherigen Haupteinsatzzweck von Dirac zu suchen: Im OEM-Car-Hifi. Die hier zur Verfügung stehende Rechenleistung ist begrenzt. Zudem ist die bei einem Audiovolver noch akzeptable Verzögerung von Skip-Befehlen in der Grössenordnung von ca. 0,7 Sekunden für eine Car-Hifi-Anwendung im Premium-Segment nicht tolerabel. Das Zappen durch iPod und Co. würde hierunter arg leiden.
Vom Vorteil mehrerer Messungen und dem Spielen mit Zielkurven
Die grafisch unterstützte Benutzerführung durch den Mess- und Korrekturvorgang ist gelungen einfach. So kann ich hier auf viel Text verzichten und verweise auf die folgenden vier Bilder.
Bild 1: PC Starten und Mikrofon anschliessen.
Bild 2: Den Anweisungen zur Einmessung auf dem Bildschirm folgen.
Bild 3: Messergebnis (blau und grün) begutachten und Zielkurve (orange) vorgeben.
Bild 4: Mit mehreren Zielkurven via Mausklick in jeder beliebigen Abspiel-Software herum spielen.
Erwähnenswert ist, dass für die Korrektur nicht nur eine Messposition herangezogen wird, sondern der Benutzer aufgefordert wird, neben dem Sweet Spot im Stereodreieck, weitere Positionen im Raum zu messen. Wer schon einmal Messungen in einem Hörraum vorgenommen hat, weiss dass sich durch den Einfluss von Raummoden und unterschiedlich reflektierenden Flächen höchst unterschiedliche Summenfrequenzgänge messen lassen. So ist es durchaus der Regelfall, dass ein lokaler Pegelabfall oder -überhöhung schon einen Sitzplatz weiter gar nicht mehr auftritt. Vermeintliche Korrekturemassnahmen können im schlimmsten Fall zu unerwünschtem Verbiegen der ersten Wellenfront führen, die dann auch seltsam klingt.
So empfinde ich das Vorgehen, wie im Car-Hifi ohnehin üblich, mehrere Messungen zur Grundlage einer Korrektur-Rechnung zu machen, mehr als löblich.
Als weiteren Vorteil empfinde ich, die von Haus aus vorgehaltene Möglichkeit, die Bandbreite der Korrekturmassnahmen zu begrenzen. Wie schon bei AK-Soundservice geschrieben, ist die Korrektur im Tief- und Grundton und deren Zeitanpassungen an den Rest des Klangbildes der entscheidende im Raum. Ortsabhängige Korrekturn im Brillianzbereich können auch kontraproduktiv sein. Und ein bis in die Höhen konstanter Pegel wird im Raum als unnatürlich hell wahrgenommen. So hat die Zielkurve bei Dirac auch schon den typischen Hochtonabfall vorgesehen - s. Bild 3 oben. Unsere Testgruppe hat sich unter anderem für eine Zielkurve mit einer auf bis 5 kHz begrenzte Korrektur entschieden.
Womit ich bei einem weiteren Pluspunkt von Dirac wäre: Verschiedene Korrekturkurven lassen sich ganz simpel in jede Hard- und Softwareumgebung einbinden und per Mausklick aufrufen. Optimierungen für unteschiedliche Hörplätze, Musik oder Heimkino, geschlossene oder offene Türe - kein Problem. Löblich auch, dass die Korrektur auch unabhängig von der verwendeten Abspielsoftware funktioniert. Die Lösung hierfür ist die Einbindung von Dirac als virtuelle Soundkarte. Wer seine Musik also ohnehin über einen PC streamt, muss die Daten nur digital an einen hochwertigen DA-Wandler ausgeben und fertig ist ein sehr potentes Frontend.
Gehörtes
Wie schon von Acourate bekannt ist insbesondere die Korrektur der Tieftonanteile im Raum segensreich. Perfekt ins Klanggeschehen eingebunden, trocken, knackig, tief und zeitlich auf den Punkt ertönte beispielsweise der Bass von Diana Kralls Version von Fever. Auch das restliche Klangbild wirkte stimmig und natürlich. Einzig die im Allgemeinen gute Bühnendarstellung geriet im Vergleich zu aufwendigeren Highend Systemen ein wenig zu kompakt. Nun sollte man vom DA-Wandler in dem günstigen XTZ Verstärker und den preiswerten Standlautsprechern auch keine Wunder erwarten. Mit einem hochwertigeren Backend geht da sicher noch mehr.
Der entscheidende Punkt für mich war aber die tonal ausgewogene und musikalisch anrührende Darstellung von Stimmen über ein Korrektursystem. Inbesondere mit einer auf maximal 5 kHz begrenzten Korrekt empfand ich das KLangbild als sehr stimmig und ohne lästige Effekte. So blieb die glockenklare Stimme von Rebecca Pidgeon auhtentisch, klar, kippte aber nie ins Schrille oder Krächzige. So soll das sein.
Unterm Strich hoffe ich demnächst detaillierte Eindrücke von DIRAC in meiner Anlage berichten zu können.
Bild: Korrigiertes Desktop-Hifi wie auch schon von Definite Audio bei Audio Vero gesehen.