Über die alte britische Hifi-Grösse Linn muss man wahrscheinlich kaum Worte verlieren. Die pieksauber aufgebauten und zu 100 Prozent SMD-bestückten flachen Geräte mit den Schaltnetzteilen geniessen weltweit höchstes Renommee und ältere Produkte, wie beispielsweise der eher unscheinbare Plattenspieler LP12, sind schon legendär.
Bild 1: Akurate Lautsprecher und Endstufen
Bild 2: LP12, Phonostufe, CD-Spieler und Vorverstärker
Trotz dieses Umstandes muss ich eingestehen, dass ich noch nie über ein Linn Gerät oder Lautsprecher Musik gehört habe. Das hat zwei einfache Gründe. Wer nämlichen zum einen glaubt, dass entgegen vom Meister handverdrahteten Röhren-Kaprizose, so eine SMD-bestückte Platine mit Schaltnetzteil im Alu-Kleid so günstig zu erstehen ist, wie ähnlich hergestellte Elektrogrossmarktware aus Fernost, wird schnell eines Besseren belehrt - fünfstellige Preisschilder sind bei Linn keine Seltenheit. Selbst wenn man jetzt nicht erbsenzählerisch SMD-Bauteile addiert und Maschinenstundensätze abschätzt, sondern den Entwicklungsaufwand und die vergleichsweise geringen Stückzahlen in Betracht zieht, sind diese Summen schwer verdaulich. Andererseits empfinde ich ein Leichtgewicht, dass im Inneren kaum von einem hundertfach günstigeren Grossseriengerät zu unterscheiden ist im Vergleich zu klassischen Highend mit Riesentrafo, diskretem Aufbau und Edelbauteilen einfach ein wenig zu "unsexy".
Aber das Einzige was wirklich zählt ist schliesslich guter Klang; und so konnte ich die High End für einen ersten Klangcheck nutzen.
Leider habe ich keine Stücke vom LP12 gehört. Dieser hätte in Maximalausbau (Bild 2), mit Ekos Tonarm und Phonostufe Linto, zur Verfügung gestanden. Aber auch die nicht gerade günstigeren CD-Spieler von Linn geniessen schliesslich einen guten Ruf. Wie auf Bild 1 zu erraten, wurden die Akurate Lautsprecher wohl in einem hohen Aktivierungsgrad (zu sehen sind 3 Endstufen, die jeweils mindestens 2 Kanäle besitzen) betrieben. Für den jenigen der entsprechend Geld und Platz für zusätzliche Endstufen aufbringen kann ist die Aktivierung eines Mehrwege-Lautsprechers sicher eine interessante Aufrüstoption. Dieses Beispiel könnte Schule machen. Aber wieso muss die Mittel-Hochton-Einheit aus drei(!) Chassis bestehen, wovon zwei auch noch ähnlich grosse Kalottenhochtöner sind? Arbeiten die Chassis von Linn zu schmalbandig? Oder kann man so einfach noch mehr Endstufen verkaufen? Denn mit einer passiven Frequenzweiche filtert man so einen Lautsprecher ja zu Tode...
Ok, ok, nicht theorisieren, sondern hören!
Oh je, ich kann sie mir schon vorstellen - all die aufgebrachten Emails, "so eine Majestätsbeleidigung über die doch allseits anerkannten Linn-Produkte könne man doch nicht schreiben". Aber es wollte einfach keinen Spass machen. Ein Pop-Stück wurde zwar recht breitbandig und dynamisch wiedergegeben, aber das Klangbild wirkte recht farblos und hell, ja bisweilen sogar leicht verzerrt oder schrill. Was auch anderen negativ auffiel, dass der Klang fest an den Lautsprechern "klebte". Es wollte sich einfach keine losgelöste und natürliche Bühne aufbauen. Mit einer Veränderung der Sitzposition wanderte auch das flache Klangbild mit, und bei der Verdeckung eines Lautsprechers durch eine davorstehende Person fiel die Klangbühne gänzlich zusammen. Auf der Habenseite konnte man lediglich einen tiefen, kräftigen und schnellen Bass verbuchen - das können allerdings deutlich günstigere voll- oder teilaktive Systeme anderer Hersteller auch.
Bei einer "audiophileren" Aufnahme mit Frauenstimme, besserte sich das Klangbild etwas und man konnte feststellen, dass die gesamte Kette recht hoch auflösen kann. Wirklicher Musikgenuss wollte trotzdem nicht aufkommen; hierzu blieben sowohl die Sängerin, ein Saxophon und ein Klavier einfach zu kühl, technoid und nüchteren in ihrer Präsentation.
Fazit: Ich hatte wohl bisher nicht allzu viel verpasst.