Selbstbau - Visaton VOX 200 MHT High End
Ideen und Skizzen
Durch die 2 vorangegangenen textlastigen Seiten gekämpft? Oder gleich zu den Bildern weitergebrowst? Egal, die folgenden Seiten werden jetzt selbstbautechnisch pragmatischer und sind illustriert. Dazu werde ich versuchen mich kurz zu halten - versprochen!
Eigentlich gibt es ja auch nicht mehr viel zu tun!? Die Chassis sind ausgewählt; die Frequenzweiche steht fest; das Nettovolumen; die Gehäusebreite; Querschnittsfläche und Länge des Bassreflexkanals - alles vorgegeben. Nur noch die Bauanleitung bei Visaton downloaden, die beiden TI100 ein paar Millimeter weiter auseinander platzieren, damit der MHT12 reinpasst - und fertig!
So leicht - man ahnt es schon - habe ich es mir natürlich nicht gemacht. Ganz im Sinne des Highend-Gedankens, und mir der Tatsache bewusst, dass insbesondere ein steifes und (im besten Sinne) schalltotes Gehäuse den "Kistenklang" (Mitschwingen der Wände, Schalldurchlässigkeit des Gehäuses und dessen Resonanzanfälligkeit) minimieren kann, sah ich insbesondere diesbezüglich noch Optimierungspotenzial. Dies ist sicher ein weiterer Vorteil vom Selbstbau - auch Bauvorschläge noch optimieren zu können. All das angesammelte Know-how aus Selbstbauzeitschriften und aus fertigen Highend-Konzepten sollte in die VOX 200 MHT einfliessen, um den Chassis optimale Arbeitsbedingungen zu ermöglichen und damit den Zusatz "High End" zu rechtfertigen. Zusätzlich sollten der Weiche noch hochwertigere Bauteile spendiert werden als die der Visaton-Fertigweiche - aber dazu später mehr.
Ideen zum Gehäuse-Design
Das linke Bild zeigt meine ersten bescheidenen Versuche ein sinnvoll versteiftes Gehäuseinneres mit einem "modischen(?)" Äusseren zu verbinden. Die Beite Fase an der Vorderwand und Aluminiumwellen-Laminat oder ggf. eine Chromfrontplatte um die Chassis hätte deutliche optische Anleihen bei deutschen Highend-Herstellern hervorgerufen. Auf ein schickes Äusseres ohne Anleihen bei bestehenden Produkten brachte mich ein befreundeter Architekt, der als Reaktion auf meine optischen Verfehlungen (wieso Verfehlung, sollte doch nach Burmester aussehen?) schnell seine Ideen skizzierte (rechtes Bild). Bei der Wahl des Materials der abgesetzten Frontplatte für die Hoch-Mitteltoneinheit konnte ich mich doch noch mit schwarz eloxiertem Aluminium durchsetzen - eine "Deko-Rostplatte" wäre zwar einzigartig gewesen, aber Flugrost an den Chassis!?
Auf dem linken Bild sind bereits Ideen zu Gehäuseversteifungen zu erkennen. Diese anerkannt positive Massnahme zur Gehäuseberuhigung findet man auch in vielen Fertigprodukten. Das Reduzieren mitschwingender Wände erhöht die Präzision der Tieftonreproduktion. Allerdings bringen Gehäuseversteifungen kaum Vorteile im Mittelhochtonbereich, wie Bernd Timmermanns mit seinen Messergebnissen bzgl. Schalltransmissions- und Vibrationseigenschaften von unterschiedlichen Beschichtungen und Verstrebungen in HobbyHifi 02/2002 belegen konnte.
Wahl des Baumaterials
Bei der Wahl des Gehäusebaumaterials bzw. dessen Beschichtung galt es also insbesondere noch die Schalltransmissions- und Vibrationseigenschaften im Mittelhochtonbereich zu verbessern. Dabei gilt auch zu beachten, dass z.B. durch eine reine Versteifung mit einem Versteifungsbrett eine oder mehrere Gehäusefläche in kleinere aufgeteilt werden, die ihrerseits schwingen können. Bedeutet: Das Mitschwingen im langwelligen Bereich ist erfolgreich unterdrückt, im Gegenzug wurde aber eine neue Resonanzanfälligkeit bei einer höheren Frequenz erzeugt, die sich dann mindestens ebenso negativ auswirkt. Was tun?
Einmal wieder halfen mir die Untersuchungen, die Bernd Timmermanns gerade zur rechten Zeit im ersten Halbjahr 2002 anstellte. In der HobbyHifi 01/2002 verglich er bzgl. obiger Eigenschaften unterschiedliche Gehäusematerialien, wie z.B. Birkemultiplex, MDF unterschiedlicher Stärke und Schiefer. Die Messergebnisse werde ich aus verständlichen Gründen nicht einstellen. Soviel darf ich hoffentlich aber verraten: Um so dicker die MDF-Platte, umso besser insbesondere hinsichtlich Vibrationsverhaltens (war zu erwarten) und Schiefer ist tatsächlich eines der besten Gehäusematrialien. Ob dies nun ausschliesslich an der hohen Dichte liegt oder an dem immer wieder zitierten akustisch vorteilhaften inneren Aufbau, der dämpfend wirken soll, bleibe ich - wie auch Timmermanns - schuldig. Das eindeutige Messergebnis in HobbyHifi und die Verwendung als Unterlage bei Plattenspielern oder beim Hersteller Fischer & Fischer sprechen allerdings für sich. Aus praktischen Erwägungen und aus Kostengründen entschied ich mich allerdings gegen ein Schiefergehäuse. Auch die später von Timmermanns aufgebauten Sandwichgehäuse aus MDF mir Sand- und/oder Bleischrotfüllung schieden aus praktikablen Gründen aus. Bei einer Gesamtwandstärke von über 30 mm und einer geplanten Gehäusebreite von 180 mm hätte der seitlich verbaute AL200 (Tieftöner) kaum (keinen) Platz gefunden und das ohnehin tiefe Gehäuse wäre kurios weit in die Tiefe gewachsen.
Dämmung
Die Lösung des Problems einer effektiven Gehäusedämmung erhielt ich mit - schon wieder - der HobbyHifi 02/2002, in der Timmermanns (wir erinneren uns) seine Messergebnisse bzgl. Schalltransmissions- und Vibrationseigenschaften von unterschiedlichen Beschichtungen und Verstrebungen aufzeigte. Die Messungen entsprachen denen der vorangegangenen Ausgabe mit den unterschiedlichen Gehäusematerialien. Neben den schon angesprochenen Verstrebungen wurden Beschichtungen mit Bitumen und Filz in unterschiedlichen Stärken, Fliesen und einer Stahlschrotmatte auf ihre Wirksamkeit auf 19mm MDF geprüft. Die genauen Ergebnisse der durchweg sinnvollen Beschichtungen sollen in HobbyHifi nachgelesen werden. Als besonders wirkungsvoll stellte sich indes die Stahlkugelmatte (Hawaphon) heraus. Ihre, insbesondere in Synergie mit 8 mm Nadelfilz, positive Wirkung war so herausragend, dass sie im Gesamtergebnis bzgl. des Dämmindex sogar 20 mm Schiefer deutlich übertraf (kleiner Auszug aus HH 02/2002: Gesamt-Dämmindex über Grund- und Oberton von 19 mm MDF ist 100; mit 4 mm Bitumen ca. 150; mit Stahlkugelmatte und 8 mm Filz ca. 380; 20 mm Schiefer ca. 225 - eine Steigerung von 100 entspricht einer zusätzlichen Dämmung von 6 dB). Nicht umsonst werden diese Matten auch zur Dämmung von Industrieanlagen eingesetzt und einige Lautsprecherhersteller haben das Material auch schon für sich entdeckt - Audiodata kann hier stellvertretend genannt werden, da hier die positiven Eigenschaften schon lange genutzt werden. Ob der Effekt nun allein durch das hohe spezifische Gewicht oder - wie man andernorts lesen kann - durch mikroskopisch kleine, in Wärmeenergie wandelnde Bewegungen der Kügelchen hervorgerufen wird, bleibt offen.
Drei Nachteile der Dämmung mit Filz+Stahlkugelmatten sollen aber nicht verschwiegen werden: Erstens verschlechtert diese sogar die Dämmung des Schalldurchtritts im Bereich von 200 bis 300 Hz, was sich allerdings leicht in der Kombination mit Gehäuseversteifungen ausgleichen lässt bzw. bei Kompaktlautsprechern nahezu irrelevant sein sollte. Zweitens sind Stahlkugelmatten im Vergleich zu anderen Beschichtungen sehr teuer, was bei grossen Gehäusen bedacht werden sollte. Drittens ist die Verarbeitung bei gleichzeitiger Verwendung von asymmetrischen Gehäuseversteifungen - wie ich es schliesslich realisiert habe - eine müssige und ernüchterne Arbeit. Bei "schrägen" Schnitten der Platten, muss jedes der ca. 1 auf 1 cm grossen Kammern einzeln umschnitten werden. Nicht selten werden dabei Kammern aufgeschnitten bzw. löst sich die Deckfolie über einige Kammern ab, was hunderte kleiner Kügelchen herauspurzeln lässt, die wieder eingefangen werden wollen.
Der Highend-Anspruch hat gesiegt. Und so bleibt als Fazit dieses Kapitels: Asymmetrische Gehäuseversteifungen, 22 bzw. 28 mm MDF + Stahkugelmatte + 10 mm Nadelfilz, 28 mm Alufrontplatte, 50 mm Schiefersockel und dazu ein eigenes Fach (ausserhalb der Druckkammer zur Vermeidung von Mikrofonieeffekten) für die Frequenzweiche. Dies sollte ein State-of-the-Art-Gehäuse ergeben, was andernorts selbst für Geld und gute Worte nicht zu haben ist und den Visaton-Chassis optimale Arbeitsbedingungen verschaffen sollte.
Oberflächen und Aussendesign
Bevor auf den nächsten Seiten nun die Konstruktion und der Aufbau dokumentiert wird, nun noch 2 3D-Bilder meines zum Lautsprecher-Designer avancierten Architekten "Claus". Der überzeugte mich mit diesen Bildern, kein lackiertes oder mit Aluminiumwellen-Folie beschichtetes Gehäuse zu realisieren, sondern etwas "Lebendiges" mit Holzfunier. Links ist die Version in Ahorn und rechts die in Mahaghoni zu sehen. Beim Furnierhandel hat schliesslich französicher Nussbaum das Rennen gemacht, der dann noch rötlich gebeizt wurde.
Dass es bei den Visaton VOX-Modellen eine linke und rechte Box gibt, war meinem Designer unbekannt. Aber vielleicht wäre es gar keine schlechte Idee - ähnlich wie Audiophysic - zwei Tieftontreiber gegeneinander zu platzieren, was sich insbesondere hinsichtlich der relativ hohen Tieftöneranordnung positiv auswirken könnte.