Höreindrücke - Lautsprecher
Anlass: Gamut´s Erstlingswerk L5 und Phonar Credo S100
Auf der Seite zum Messebericht der High End 2006 - Gamut war der Lautsprecher Gamut L5 erstmals auf meiner Homepage zu sehen. Die High End 2008 bescherte dann erstmals die Möglichkeit, auf einer deutschen Messe eine komplette Gamut Kette mit den neuen eigenen Lautsprechern zu hören. Ein Bild hierzu ist unter High End 2008 - Gamut zu sehen. Leider war der Elektronik ausschliesslich das brandneue Topmodell El Superiores 9 nachgeschalten. Bei recht unverschämten 95.000 EUR (!) Paarpreis verbietet sich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem Lautsprecher. Aber es gibt ja noch bezahlbare Lautsprecher von Gamut. Und da ich bekanntermassen der Elektronik der dänischen Marke recht zugetan bin, war eine Auseinandersetzung mit deren ersten Lautsprecherkreationen natürlich Pflicht.
Bild 1: Die neue Gamut El Superiores 9 ist mit 95.000 EUR nicht für jeden aus der Portokasse bezahlbar.
Bild 2: Die Gamut L5, um die es in diesem Bericht geht, kostet mit 9.500 EUR zwar nur ein Zehntel. Der Preis erscheint ebenfalls selbstbewusst.
Der Münchner Händler Der Gute Ton hat im Nachgang zur High End Messe 2006 eine Hörprobe der noch bezahlbaren L5 möglich gemacht. Im Weiteren praktisch: Die dabei verwendete Referenzkette von Gamut entspricht (einer möglichen Konfiguration) meiner heimischen Anlage (s.a. unter Höreindrücke) und den zum Vergleich herangezogenen Lautsprecher Phonar Credo S100 hatte ich bereits an einigen Ketten gehört - s.a. High End 2006 - Music Hall und High End 2004.
Die Vorzeichen für aussagekräftige Höreindrücke standen also gut.
Wichtiger Hinweis
Trotz der guten Voraussetzungen für eine Klangeinordnung der beiden beschrieben Lautsprechermodelle, entspricht der folgende Hörbericht nicht dem hier üblichen Anspruch, den ich an (die auf dieser Homepage) veröffentlichten Höreindrücke stelle. Für eine abschliessende klangliche Beurteilung wäre ausgiebiges Hören unter den bekannten heimischen Bedingungen notwendig. Nur, wenn ich über mehrere Wochen oder gar Monate, und mit unterschiedlichem Musikmaterial, eine Komponente ausgiebig gehört habe, kann ich ein abschliessenden Höreindruck wiedergeben.
Das ist hier nicht der Fall!
Der Gute Ton - Abhörkette
Die Abhörkette des Münchner Shops stand in deren recht grossen Vorführraum. Mit einem schweren Vorhang hinter den Lautsprechern und dem Teppichboden einerseits, und einer grossen seitlichen Glasfront andererseits, ist der Raum durchschnittlich bedämpft.
Bild 1: Die beiden Probanden vor der Gamut Kette in "Der Gute Ton"
Bild 2: "Der Gute Ton" bietet vorwiegend audiophile Produkte, die durchaus bezahlbar sind.
Bild 3: Im Hintergrund sind auch auch andere interessante Lautsprechermodelle zu sehen.
Lautsprecher und Sitzposition sind jeweils frei im Raum ohne nahe begrenzende Wände. Angesichts der Raumgrösse und der freien Aufstellung, ist im Vergleich zum Klangeindruck im Shop unter normalen Wohnbedingungen mit einem raumakustisch-bedingt stärkeren Tiefton zu rechnen. Zudem könnte unter Wohnraumbedingungen der räumliche Eindruck aufgrund grösserer Wandnähe etwas leiden.
Folgende Komponenten kamen bei der Hörsitzung zum Einsatz:
CD-Spieler: Music Hall cd25.2 und Gamut CD3
Vorverstärker: Gamut C2R
Endstufe: Gamut D200
Lautsprecher: Gamut L5 und Phonar Credo S100
Bild 1: Gesamte Abhörkette - der Arcam Player (oben) kam nicht zum Einsatz.
Bild 2: Neben dem Gamut CD3 wurde auch der Music Hall 25.2 als Zuspieler genutzt.
Bild 3: Gamut L5 und Phonar Credo S100
Gemeinsamkeiten...
...dieser beiden Lautsprechermodelle sind schnell gefunden.
Gehäuse
Einig scheint man sich schon einmal hinsichtlich des Gehäusedesigns zu sein. Seit dem Erfolg des Designs diverser Sonus Faber Modelle, müssen offenbar alle Upperclass-Lautsprecher ein lautenförmiges und leicht nach hinten geneigtes Gehäuse aufweisen. Erklärt wird dieses - zugegebenermassen - schicke Design meist damit, dass nicht parallele und plane Gehäusewände stehende Wellen und Resonanzen zu vermindern helfen. Einverstanden. Wenn zudem das Gehäuse gut gedämmt und ausreichend steif ist - bei beiden Modellen der Fall - dann mag sich diese Form auch akustisch positiv auswirken.
Bild: Beide Modelle sind "schräge" Typen.
Das wenige Grad nach hinten geneigte Gehäuse wird in beiden Fällen mit dem Ziel einer zeitrichtigeren Wiedergabe begründet. Ein gutes Ziel; denn erfahrene Hifi-Hörer wissen, dass dies bei Mehrwegekonstruktionen nur sehr schwer zu erreichen ist. Die vergleichsweise schweren Tiefmitteltöner hinken hinsichtlich ihrer Impulsantwort den leichtgewichtigen (nur wenige Zehntelgramm) schweren Hochtöner-Membranen deutlich hinterher. Die notwendige Beschaltung mit Spulen führt zudem zu Phasenverschiebungen. Manchmal ist der Unterschied im Impulsverhalten so gross, dass der Hochtöner phasenverkehrt angeschlossen werden muss.
Dass der, durch die leichte Neigung (ca. 5 Grad), nun wenige Millimeter weiter vom Ohr entfernte Hochtöner dieses Problem löst, gehört in die grosse Hifi-Fabelwelt, wird aber von der Fachpresse trotzdem immer wieder zitiert. Führen wir uns kurz die Dimensionen vor Augen bzw. Ohren: Der Zeitversatz der Chassis bei typischen Zwei-, oder Drei-Wege-Lausprechern beträgt oft ca. 1 Millisekunde. Aufgrund der Schallgeschwindigkeit müsste der Hochtöner also um ca. 30 Zentimeter gegenüber dem Tiefmitteltöner nach hinten versetzt werden...
Seien wir also ehrlich: Geneigte Gehäuse sind halt derzeit einfach hipp! Ich für meinen Teil freue mich auf das erste edle Lautsprechergehäuse, das nicht mehr dieser Formvorgabe folgt. Insbesondere nachdem mittlerweile nahezu jeder Fernost-Internetangebot-Lautsprecher diese Form kopiert.
Bestückung
Beide Modelle nutzen die berühmten Chassis mit den geschlitzen Papierkonussen des dänischen Herstellers Scan-Speak. Sicher keine schlechte Wahl. Die Qualitäten dieser Chassis sind unbestritten, und zudem sind deren Papiermembranen leichter zu beschalten als die ebenfalls populären Keramik- oder sonstigen Hartmembrankonusse. Zum einen ist Papier hinsichtlich seiner Eigendämpfung das bessere Chassismaterial, als die zu hartem Eigenklang neigende Keramik. Letztere muss zudem noch stärker über die Frequenzweiche entzerrt werden, damit es nicht auch noch entsetzlich klirrt. Zum anderen soll die asymmetrische Schlitzung der Membranen (Bild 2 unten) das Resonanzverhalten weiter verbessern. Ein Blick auf die (ungefilteten) Frequenzschriebe auf der Scan Speak Seite weist denn auch alle verwendeten Chassis als sehr gutmütige Gesellen aus, die leicht zu "erziehen" sein sollten.
Bild 1: Die verwendeten Scan Speak entstammen durchweg der hochwertigen Revelator-Klasse.
Bild 2: Den Scan Speak 18W nutzen beide Modell als Tief- bzw. Tief-Mitteltöner.
Weitere Einigkeit herrscht bei der Verwendung eines Bi-Wiring-Terminals mit WBT-Klemmen und einer Ankoppelung an den Boden über Spikes. Letzteres muss nicht bei jedem Boden der Weisheit letzter Schluss sein. Aber das ist eine andere Geschichte - s.a. Höreindrücke - Basen und Füsse.
...und Unterschiede
Preis-Gegenwert-Relation
Bei der Phonar Credo muss man diese als gut bezeichnen. Für den Listenpreis von 5.000 EUR pro Paar erhält man einen sehr gut verarbeiteten Lautsprecher, der zudem hochwertig ausgestattet ist. Egal wie sehr man das Gebotene auch durchleuchtet, man findet kaum etwas, das man signifikant hätte besser machen können. Die seidenmatte Oberfläche des Furniers ist perfekt, die Chassis gehören zum Besten und auch Teuersten, was man heute beschaffen kann - Exoten einmal ausgenommen. Und auch alle Details wie Frequenzweichenbauteile, interne Verkabelung, Anschlussterminal, Bodenplatte usw. sind absolut überzeugend. Ich wage zu behaupten: Das für Selbstbauer das Klonen dieser Lautsprecher nicht lohnen würde, da allein der Materialpreis solch einer Einzelanfertigung nahe an den Retailpreis käme. Wahrscheinlich macht das deshalb auch keiner; und die DIY-Welt stürzt sich lieber auf Avalon Clone, die kaum aufwendiger herzustellen, aber als Original um ein vielfaches teurer zu erwerben sind.
Bild 1: Gamut L5
Bild 2: Höhenverstellbarer Spike
Bild 3: Phonar Credo S100
Bei der Gamut L5 sieht die Preis-Gegenwert-Relation schon schlechter aus. Mit 9.500 EUR pro Paar kostet sie nahezu das Doppelte wie die Phonar. Mir ist nichtersichtlich, wo der entsprechende Mehrwert steckt. Man mag argumentieren, dass die Chassis gerinfügig teurer sind: Der Ringradiator kostet einige Euros mehr als die Revelatorkalotte. Gleiches gilt für den 18er Tiefmitteltöner gegenüber dem 15er der Credo. Die vielen Hochglanz-Lackschichten würde ich allerdings nicht ins Feld führen wollen, dazu ist deren Verarbeitungsqualität zu schlecht. Leichte Neigung zur Orangenhaut und Wölkchenbildung gehören sich bei dem Verkaufspreis einfach nicht - da ist das vielleicht einfachere Finish der Phonar sauberer ausgeführt. Die polierten Metallfüsse der Gamut waren sicher teuer. Ob das den Mehrpreis rechtfertigen hilft, ist eine andere Frage.
Genug der Oberflächlichkeiten - diese Homepage soll weiterhin vollauf dem guten Klang veschrieben sein. Und diesbezüglich darf die Gamut schliesslich ihren Mehrwert noch beweisen.
...aber nicht bevor wir noch kurz die konzeptionellen Unterschiede beleuchtet haben.
Hochton
Mit dem Ringradiotor R2904/700005 nutzt die Gamut L5, gegenüber der altgedienten Gewebkalotte D2905/970000 der Credo S100, zwar das modernere Chassis; die Erfahrung mit etlichen anderen Lautsprecher lehrte mich indes, dass dies nicht zwangsläufig zu einem besserem Gesamtklangbild führen muss.
Bild 1: Gamut mit dem berühmte Ringradiator von Scan Speak in der Revelator-Version R2904/700005 mit strömungsoptimierter Metallnase
Bild 2: Phonar mit der nicht minder berühmten, aber etwas betagteren 1-Zoll-Gewebekalotte D2905/970000
Oft messen sich Ringradiatoren zwar etwas besser als Gewebekalotten - haben beispielsweise ein besseres Rundstrahlverhalten, ein schnelleres Ausschwingverhalten oder den glatteren Frequenzgang. Wer sich auf der Scan Speak Webseite die Werte beider Hochtöner näher ansieht, stellt allerdings fest, dass dies bei diesen beiden Hochtönern nicht der Fall ist. Leider fehlt das Wasserfalldiagramm, weshalb das Ausschwingverhalten nicht beurteilt werden kann.
Wenn man den Herstellerangaben Glauben schenkt, sind beide Hochtöner ganz vorzügliche Vertreter ihrer Art. Beide sind hochbelastbar, haben eine sehr niedrige Resonanzfrequenz, können damit schon bei vergleichsweise tiefen Frequenzen angekoppelt werden und haben auf Achse einen sehr linearen Frequenzgang. Nur beim Ringradiator steigt der Frequenzgang ab 20 kHz deutlich, aber zumindest ohne erkennbare Verzerrungen an. Ausgerechnet die Kalotte hat hier den glatteren Frequenzgang - und das sogar bis 30 kHz. Und auch noch darüber hinaus kommt es nicht zu erkennbaren Verzerrungen, die häufig bei grossen Kalotten durch Membranaufbrüche befürchtet werden müssen. Der Frequenzgang fällt bei ihr gutmütig ab. Auch beim Rundstrahlverhalten ist kein Vorteil für den Ringradiator erkennbar, obwohl dieser Dank kleinerer Fläche und der Metallnase hier Vorteile bietet könnte. Ein Letztes: Der Rinrgadiator hat zwar die geringere bewegte Masse, dafür besitzt die Kalotte aber auch die entsprechend grössere Membranfläche.
Abschliessend lässt sich feststellen, dass zumindest theoretisch ein Patt zwischen diesen beiden Konzepten herrscht bzw. keine erkennbaren Vorteile für den moderneren und teureren Ringradiator erkennbar sind.
Mittelton
Die Entscheidung von Phonar der S100 einen "echten" Mitteltöner zu spendieren, finde ich prinzipiell begrüssenswert. Auf das Quäntchen mehr an Tiefgang und maximalen Schalldruck verzichte ich gern, wenn mir dafür im Gegenzug ein sauberer und schnellerer Mittelton geboten wird. Tiefmitteltöner wie der Scan Speak W18 bündeln zum einem aufgrund ihrer grossen Fläche mehr als die kleineren Mitteltonspezialisten. Zum anderen sind die starken und damit auch schweren Antriebe für kräftigen Tiefton ausgelegt, aber nicht für einen besonders luftigen Mittelton. Auf der Seite zur Konzeptentscheidung - Visaton VOX 200 MHT High End bin ich auf die Vorteile eines 3-Wege-Konzeptes mit Mitteltöner gegenüber einem 2-Wege-System eingegangen. Der Nachteil des Einsatzes von echten Mitteltönern ist wiederrum deren aufwendigere Beschaltung über einen Bandpass - das Signal muss sich also durch mehr Weichenbauteile bewegen.
Bild 1: Gamut setzt auf das heute übliche Zweieinhalb-Wege-Konzept mit zwei gleichen 18W Tief-Mitteltöner.
Bild 2: Auch Phonar setzt auf zweieinhalb Wege. Verwendet als Tief-Mitteltöner aber den eine Nummer kleineren 15W.
Hat Phonar durch einen geeigneteren Mitteltöner also prinzipielle Vorteile in diesem Bereich?
Wahrscheinlich eher nicht. Bei dem eingesetzten W15 handelt es sich nämlich nicht, wie beispielsweise beim Visaton TI 100 in meiner VOX 200 MHT High End, um einen echten Mitteltonspezialisten, sondern wie beim W18 auch, um einen kapitalen Tiefmitteltöner. Während der TI 100 mit seinem knapp 10 cm Durchmesser zwar keine Tieftongewitter auslösen kann, ist das breitbandige und mit nur 4 g bewegter Masse sehr leichte Chassis, zu einer der perfektesten Mittenwiedergaben fähig, die ich kenne. Wie man auf obigen Bild 2 schon anhand der breiten Sicke erkennen kann, ist der 15W auf maximalen Hub (und damit Schalldruck) und Tiefgang ausgelegt. Mit 13 g bewegter Masse ist er auch kaum leichter als das 17,5 g schwere 18W Pendant und damit sogar schwerer als manch anderes auf dem Markt erhältliche 17er- bzw. 18er-Chassis. Das soll hier bitte nicht falsch verstanden werden: In Anbetracht des kräftigen Antriebes und einer maximalen Auslenkung von +/- 9 mm, geht das Gewicht voll in Ordnung. Zudem hilft der starke Antrieb hinsichtlich der dynamischen Fähigkeiten das höhere Gewicht wieder teilweise auszugleichen. Phonar selber beschreibt die Mittel-Hochton-Einheit der Credo S100 denn auch als vollwertigen 2-Wege-Lautsprecher, der von einem internen Subwoofer unterstützt wird. Nach unten wird der W15, demnach gar nicht gefiltert und besitzt sogar sein eigenes Bassreflexrohr in einer abgetrennten Kammer. Mal sehen wie sich dieses Konzept im Hörcheck schlagen wird.
Frequenzweiche
Kurz: Über die Weichenschaltung der Gamut ist mir nichts Näheres bekannt. Ein Bauteilegrab ist allerdings kaum zu erwarten, da die Chassis - wie eingangs beschrieben - gutmütiger Natur und damit einfach zu beschalten sind. Zudem gehe ich davon aus, das der Entwickler (und mittlerweile Geschäftsführer von Gamut) Lars Goller weiss, wie die Chassis richtig zu filtern sind. Lars Goller war nämlich zuvor Chefentwickler bei Scan Speak - womit die neuerliche Liebe der Firma Gamut für Scan Speak bestückte Lautsprecherserien erklärt wäre. Sein Vorgänger Ole Lund Christensen hatte sich eher um die Elektronikkomponenten von Gamut bemüht.
Von der Credo S100 ist mir bekannt, dass Phonar hier durchweg hochwertige Bauteile einsetzt. So findet man zum Beispiel Tritec Luftspulen und Mundorf Supreme MCaps in der Weiche. Für die Innenverkabelung werden offensichtlich Strippen von Monitor genutzt, wie ich Sie selber auch in meiner VOX 200 MHT High End eingesetzt habe. Eine kleine Abhandlung zu diesen Leitern habe ich unter Höreindrücke - LS-Kabel veröffentlicht. Wer hier bei der S100 noch aufrüsten will, muss sehr tief in die Tasche greifen. Etliche Hundert Euro Investition und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten vorausgesetzt, kann man die Klangqualität der S100 durch den Einsatz von Flachbandspulen und Silber/Gold/Öl/Zinn oder ähnlichen Kondensatoren evtl. noch weiter steigern - s.a. Tuning und VOX 200 MHT - Updates.
Höreindrücke
Aus Zeitgründen - schliesslich konnten wir nicht mehrere Abende im Studio "Der Gute Ton" verbringen - kam vorwiegend die Stereoplay CD 06/2006 "Der definitive Anlagentest" zum Einsatz. Gehört wurden die aussagekräftigen Stücke, mit denen auch schon dem CD Player Music Hall cd25.2 auf den Zahn gefühlt worden ist.
Bild: Schon mal gesehen? War kein anderes mehr da...
Tonal gaben sich die beiden Lautsprecher nicht unähnlich; was angesichts vergleichbarer Zutaten nicht verwundert. Beide spielen weitgehend neutral, breitbandig und lösen sehr gut auf. Wenn man eine klangliche Richtung ausmachen möchte, dann kann man beiden eher eine durchsichtige Abstimmung und die, heute anscheinend nicht vermeidbare, leichte Badewannen-Charaktersitik - also die Betonung im Grund- und Obertonbereich - attestieren. Einen ausgemachten Loudness-Effekt kann man beiden aber nicht ankreiden. Da grössenbedingt bei beiden ab ca. 50 Hz unten herum langsam Schluss sein dürfte, geben sich hier beide ein klein wenig vollmundiger. Das ist heute so üblich und bis zu einem gewissen Grad auch durchaus legitim, um nicht zu schwachbrüstig zu wirken.
Am anderen Ende des Frequenzbandes setzt insbesondere die Gamut der ausgeprägten Hochtonauflösung noch ein paar Glanzlichter extra auf. Die Phonar ist hier ein wenig zurückhaltender, aber auch eher auf der skandinavisch-durchhörbaren, als auf der englisch-zurückhaltenden Seite. Wer schon einige Hör- oder Messeberichte zu Lautsprechern von mir gelesen hat, oder auch nur den von mir beschriebenen Hochtöner-Auswahlprozess meiner VOX 200 MHT unter Konzeptentscheidung nachverfolgt hat, weiss dass ich hinsichtlich der Hochtonabstimmung ein spezieller oder eventuell auch schwieriger Kandidat bin. So kann ich mich mit der Färbung und dem Eigenklang von den meisten Kalottenhochtönern nicht so recht anfreunden. Möglichst objektiv betrachtet würde ich die Phonar S100 als nicht überdurchschnittlich hell, aber eher transparent abgestimmt einstufen. Bei der Gamut L5 möchte ich indes schon von einer echten Färbung ins Helle sprechen wollen. An diesem Eindruck hatte sicher auch die vorgeschaltete Gamut-Kette ihren Anteil. So kann man die dänischen Geräte auch als eher durchhörbar spielend beschreiben. Für meinen Geschmack ist damit gerade die Kombination mit dem firmeneigenen Lautsprechern L5 eher ein wenig unglücklich - es sei denn man gehört zu den Analytik-Fanatikern unter den Highendern.
Stimmen und akustische Instrumente können beide Lautsprecher ausreichend plastisch und klangfarbenstark wiedergeben, so dass schon ein recht realitätsnaher Eindruck entsteht. Verfärbungen und Verzerrungen auch bei hohen Pegeln sind beiden Lautsprechermodellen fremd. Einzig an das herausragende Niveau, welches meine VOX 200 MHT in diesen Belangen erreichen kann, kommen beide eindeutig nicht heran.
Wie war das noch mit dem Mittelton? Waren hier nicht Unterschiede aufgrund der Bestückung zu erwarten? Kurz gesagt: Während des kleinen Hörchecks im Hifi-Studio sind mir hier keine nennenswerte Qualitätsunterschiede aufgefallen. Insgesamt hat mir die Phonar im Mittel-Hochton ein wenig besser gefallen als die Gamut. Die Phonar erschien mir unter den genannten Abhörbedingungen geringfügig wärmer, runder und damit gerade bei akustischer Musik gefälliger und harmonischer. Im Vergleich wirkte die L5 diesbezüglich einem Tick blutleerer und analytischer. Dies ist aber sicher eher der unterschiedlichen Abstimmung als den unterschiedlichen Mitteltönern zuzuschreiben.
Uups, bis jetzt scheint die nur gut halb so teure Phonar die Gamut im direkten Vergleich nicht wirklich gut aussehen zu lassen...
...hätte ich nicht noch ein paar Worte über die Tieftonqualitäten zu verlieren: Zumindest frei stehend im grossen Hörraum konnte die Gamut mit ordentlichem Bassdruck punkten. Hier zahlt sich die grössere Membranfläche und das höhere Gehäusevolumen voll aus. An die Wucht und Autorität der L5 kam die S100 nicht heran. "Hubraum ist durch Nichts zu ersetzen, ausser durch noch mehr Hubraum!" - diese alte automobile Binsenweisheit trifft im übertragenen Sinne auch auf die Tieftonfähigkeiten von Lautsprechern zu.
Tipp an dieser Stelle: Die kleine Übertreibung im Tiefton, die sich die L5 (und auch viele andere Modelle) leistet, kann in kleineren Räumen oder bei wandnaher Aufstellung zu Problemen führen. Dieser Buckel lässt sich bei Bassreflex-Konstruktionen leicht mit dem (teilweise) Verschliessen des rückseitigen Bassreflexkanals ausbügeln. Durch das Verschieben der Güte nehmen dabei typischerweise auch Basspräzision und -tiefe zu.
Das schönste an den tiefen Registern der L5 ist aber, dass sie nicht nur mit Druck wuchert, sondern auch mit straffen Konturen zu gefallen weiss. Ob getretenes Drumfell oder gezupfter Kontrabass; Bassläufe behalten immer ihre unverkennbare Signatur und werden schön trocken in den Raum gestellt. In dieser Hinsicht hat die S100 ein wenig das Nachsehen. Auch wenn die Basskonturen absolut gesehen bzw. gehört durchaus zufriedenstellend sind, wirkt sie im direkten Vergleich zur Gamut ein wenig runder und ungenauer.
Fazit
Spass gemacht haben beide Lautsprecher.
Auch wenn ihre Konzepte einander ähnelt, folgen sie von der Abstimmung her doch leicht unterschiedlichen Philosophien. Damit richten sie sich auch an unterschiedliche Hörergruppen:
Die Phonar Credo S100 ist ein perfekt verarbeiteter und preiswürdiger Lautsprecher, der mit unterschiedlichstem Musikmaterial gut zu gefallen weiss. Lediglich hinsichtlich seiner Tieftonqualitäten muss man kleinere Abstriche in Kauf nehmen.
Die Gamut L5 ist ein sehr transparent klingender Lautsprecher, den man eher mit wärmer abgestimmter Elektronik oder in stark bedämpften Räumen betreiben sollte. Seine Tieftonqualitäten sind angesichts der elegant schlanken Erscheinung herausragend. Sein Preis ist es leider auch.
Anmerkung zur L5: Wer heute einen Gamut Lautsprecher erwerben möchte, muss für die neue Toplinie El Superiores sogar noch tiefer in die Tasche greifen; oder die schicken, aber einfacher bestückten Modelle der Phi-Serie probehören.