Natürlich kann man das Plattenwaschen auch zelebrieren. Wie immer im High End Umfeld gibt es hierfür genügend hochpreisige (-wertige?) Produkte. Wie z.B. Waschmaschinen zum Preis eines guten Plattenspielers und Waschmittel zum Literpreis einer ganzen Europalette voll Henkel-Produkten. In meinen Augen ist das Waschen notwendiges (hör-)zeitraubendes Übel, das angesichts statisch aufgeladener neuer und verschmutzter 2nd-Hand Scheiben nun einmal notwendig ist, um den Musikgenuss nicht unnötig zu trüben und den Tonabnehmer zu schnell verschleissen zu lassen.
Höreindrücke - Analog
Plattenwaschen
Knosti Antistat
Bisher habe ich für das notwendige Übel des Plattenwaschens die mit Abstand preisgünstigste Variante des Nasswaschens angewandt: Die manuelle Wäsche mit dem Knosti Antistat (Bild 1). Für Preise zwischen 40 und 50 Euro erhält man beispielsweise bei Conrad Electronic oder diversen Versendern die komplette "Waschmaschine" inkl. 1 l Reinigungsflüssigkeit und allem notwendigen Zubehör - wie auf Bild 2 zu erkennen. Die Fundktionsweise lässt sich hier auch schon erahnen:
Die antistatisch wirkende Flüssigkeit wird in die Kunststoffwanne gegeben; die Platte zwischen den Halbschalen festgeschraubt; die Platte so in der Vertikalen in das Spülbecken getaucht und von Hand um ihre Querachse gedreht. Die Flüssigkeit löst den Schmutz und im Becken befindliche Borsten waschen den Schmutz beidseitig ab. Gleichzeitig verspricht der Hersteller, dass die Platten durch die Behandlung mit der Reinigungsflüssigkeit dauerhaft antistatisch werden. Danach wandern die so gesäuberten Platten auf den Trockenständer und trocknen selbstständig, dank des schnell flüchtigen Reinigungsmittel, schnell ab. Die verschmutzte Reinigungsflüssigkeit im Spülbecken und der Wanne des Abtropfständers kann - durch einen Teefilterpapier gereinigt - mit Hilfe eines beiligenden Trichters wieder zurück in die Flasche wanderen und viele Male wiederverwendet werden.
Ergebnis
Sowohl hinsichtlich der Reinigungswirkung als auch der Einfachheit der Handhabung und des notwendigen Zeiteinsatz kann ich ein "Gut" vergeben. Insbesondere echte Tonabnehmer-Killer vom Trödelmarkt erglänzen nach der Wäsche wieder wie neu. Plattenwaschmaschinen mit arm-geführter Absaugung mögen noch tiefer in der Rille befindlichen Schmutz erfassen können, aber auch mit dem Knosti nehmen bei optisch anscheinend sauberen Platten Knisterer und Knackser deutlich ab. Was der Tonabnehmer schon tief eingepresst hat, bleibt zudem auch bei den besten Plattenwaschmaschinen meist auf Ewigkeit in der Rille.
Das Trocknen geht schnell, nur selten muss man ein letztes Tröpfchen mit einem Microfasertuch von der Startrille wischen; die Papierlabels bleiben unter den Schalen weitgehend trocken bzw. leicht angefeuchtete Ränder trocknen rückstandslos ab; die Platten sind tatsächlich dauerhaft antistatisch (daher wandern auch alle neuen Platten durch den Knosti); und das Reinigungsmittel lässt sich oft verwenden. Zudem ist eine Ersatzflasche recht preiswert.
Von klanglichen Auswirkungen kann ich nicht berichten. Klar, klingt es sauber besser als "vor dem Lagerfeuer-Geprassel", aber klangförderliche Auswirkungen durch Veränderungen (oder Anlagerungen) an der Rillenoberfläche kann ich nicht ausmachen. Ich meine: Gut so, oder wurde jemals Geschirr, Besteck oder Kleidung schöner durch Wäsche?
L`Art du Son
Genau in diese (Voodoo-)Hifi-Kerbe schlägt allerdings das in der Fachpresse hoch beleumundete L`Art du Son von Loricraft (kleine Flasche auf Bild 1 und 2). Wenn man den diversen Berichten, der Werbung und natürlich Martina Schöner selbst bei ihrer Vorführung auf der High End 2005 glauben mag, dann erlebt der Anwender nach der Wäsche mit dem Wunderreiniger (neben der Reinigungswirkung) eine signifikante Steigerung im Klang der Schallplatte.
Ich gebe es zu: Natürlich war ich negativ voreingenommen und fühlte mich bei der vollmundigen Anpreisung an die Wundermittel-Verkäufer und Scharlatane aus schlechten Western-Filme erinnert und wartete auf einen (abgesprochen) im Auditorium aufspringenden Zuhörer, der einen tiefen Schluck aus der Flasche nimmt und dann die Engel singen hören kann. Ok, derartige Aktionen blieben aus. Aber die ausführlichen Beschreibungen von Frau Schöner über das organisch abbaubare Reinigungsmittel, dass sie sich - nach ihren Vorgaben natürlich - bei einem Waschmittelhersteller mischen lässt, liess mich unwillkürlich wieder an meine in Das Highend-Dilemma und Höreindrücke zubehör - Tinkturen geäusserten Lästereien denken: Ein Fass Spülmittel auf 100ml Fläschchen gezogen und dann zu 35 Euro die Flasche (350 Euro pro Liter!!!) ergibt sicher eine Gewinnspanne von zig-tausend Prozent. Trotzdem: Ich habe mich "geopfert" und eine Flasche erstanden, um hier von der Wirkung berichten zu können, auf der High End 2005 habe ich nämlich keinen Effekt erhören können. Ob meine Ohren schon belegt waren oder die Pausen zwischen Vor und Nach der Wäsche zu lang - wer weiss? Von signifikanten Verbesserungen des Klangs konnte auf jedenfall keine Rede sein, und so musste Frau Schöner auch sichtlich bemüht das nun längere Ausschwingen von Tönen erklären.
Na gut; unter heimischen Bedingungen sollte L`Art du Son seine zweite Chance erhalten. Hierzu verwende ich wieder das oben beschriebene Knosti-Gerät mit dem einzigen Unterschied des Reinigungsmittels. Hinsichtlich der praktischen Anwendung muss man dem L`Art du Son erst einmal zu Gute halten, dass das kleine Fläschchen Konzentrat für 5 l Fertigprodukt ausreichend ist, sich zwar dank organischer Abbaufähigkeit weniger oft wiederverwenden lässt, sich der Preisunterschied zu anderen Produkten trotzdem relativiert.
Ergebnis
Bezüglich der Anwendung mit dem Knosti-Gerät kann man leider nur ein knappes "Ausreichend" vergeben, da das Mittel nicht von alleine trocknet und einen Spülmittelfilm hinterlässt (das Mittel riecht übrigends wirklich wie parfümfreies Waschmittel). So muss man überschüssiges Spülmittel mit destilliertem Wasser abspülen. Das Trocknen dauert entsprechend länger und muss ggf. mit einem weichen feinen Microfasertuch unterstützt werden. Gerechterweise muss man allerdings sagen, dass L`Art du Son nicht für das Knosti-Gerät gedacht ist und sich die beschriebenen Umständlichkeit bei Anwendung auf einer Plattenwaschmaschine mit Absaugung nicht ergeben würden. Hinsichtlich des Reinigungsergebnisses lässt sich wie beim Knosti Disco Antistat ein "Gut" vergeben. Sauber und antistatisch wird es auch mit dem L`Art du Son.
Aber was ist nun mit der spannenden Frage nach den klanglichen Auswirkungen? Gehört habe ich vor allem die Scheiben Mamani von Joy Denalane und Love over Gold von den Dire Straits. Letzteres hört sich übrigends auf Vinyl deutlich besser an als alle mir bekannten digitalen Überarbeitungen. Bei der neueren Digitalaufnahme von Joy Denalane schrumpft der Vorsprung der Rega RB300 und Goldring Eroica Kombination (Bild 1) gegenüber meinem CD-Player Gamut CD3 (Bild 2) allerdings merklich.
Die Platten waren vor der Behandlung mit L`Art du Son zwar staubfrei und sauber, aber schon einige Male gespielt und nicht erst zuvor mit Knosti Antistat gereinigt worden. In diesem Zustand klang Joy Denalanes "Höchste Zeit" oder "Sign The Times" gegenüber der CD-Wiedergabe ein Quentchen präsenter und unmittelbarer; bei gleicher tonaler Prägung und dynamisch-lebhafter Abbildung. Positiv fällt die etwas live-haftigere Atmosphäre bei der analogen Wiedergabe auf; bei allerdings gleichzeitig kleinerer und unpräziserer Bühnendarstellung und weniger Autorität in den tiefen Registern gegenüber der CD aus dem Gamut Player (dass Analog noch mehr kann, lernte ich erst mit meinem Tonarm - The Unswayed und diversen Upgrades aus diesem Kapitel Höreindrücke - Analog). Aber wie verhielt es sich nach der L`Art du Son - Wäsche? Trommelwirbel!
Ja, ich muss es zugeben: Es tut sich erstaunlicherweise etwas. Das Klangbild wird geringfügig klarer und differenzierter. Einzelne Stimmen und Instrumente werden plastischer herausgelöst, die Mikrodynamik gewinnt leicht - was an einer feineren High Hat und präziserem Fingerspiel an der Gitarre zu hören ist. Insgesamt scheint es weniger Verschlierungseffekte zu geben und alles ein wenig klangfarbenstärker und plastischer zu ertönen. Kein Grund, nun Zubehör-gläubig zu werden oder die Werbeaussagen von signifikanten Klangverbesserungen zu unterschreiben - dazu sind die beschriebenen Effekte doch zu klein (und hier nur der deutlichkeithalber so klar beschrieben).
Zur richtigen Einordnung der Quantität des klanglichen Effekts, kann man folgendes sagen: Er ist der mit Abstands kleinste beobachtete Effekt in meiner Kette, und damit deutlich geringer als etwa der, eines Kabels, von Gerätefüssen oder einfach des Festklemmens einer Vinylscheibe mit einer Plattenklemme (s.a. Plattenklemme - Clearaudio vs. Transrotor). Aber: Er ist tatsächlich vorhanden. Ob man ihn vermissen würde und deshalb ein teures Waschmittel kaufen muss, soll jeder selber entscheiden. Ich selber wasche seither - je nach vorhandener Zeit - einmal mit dem "schnellen" Knosti Antistat und das andere Mal mit dem "schöneren" L`Art du Son. Bin halt immer noch ein Wasch-Muffel.
Weiterführende Links
Lesenswertes zum Thema Plattenwäsche gibts auch unter...
Plattenwaschen - wie der Name sagt
Vinyl lebt - Info-Fundgrube zu Vinyl
Phonophono - auf Analoges spezialisierter Händler (auch Waschmaschinen)
Der Schallplattenladen - grosse Plattenauswahl und Plattenwaschservice in München