In der jüngeren Vergangenheit setzt Audiophysic vermehrt auf ein Konus-Chassis als Hochtöner. Aus der Selbstbauszene kennen wir so etwas wenn es um günstig zu realisierende Spassboxen mit Retro-Papp-Chassis geht. Wenn ein renommierter deutscher Hersteller ein solches Chassis sogar seinen aufwändig konzipierten Top-Lautsprechern angedeihen lässt, muss mehr dahinter stecken. Zeit sich das einmal näher anzusehen - und zu hören.
Bild 1: Audiophysics neuer Standlautsprecher Avantera neben einem Hybridverstärker von Pathos.
Bild 2 und 3: Auf den ersten Blick kann man die Staubschutzkalotte des Konushochtöners mit einem Kalottenhochtöner verwechseln. Der Schaumstoffring dient wahrscheinlich der Bedämpfung oder Schallführung um zu grosse Bündelungseffekte der relativ grossen Membran zu verhindern.
Bild 4: Im Schnitt ist zu erkennen, dass die Retro-Konusmembran ihr eigenes Aluminiumkämmerlein bewohnt.
Bild 5: Mittlerweile vertrauen alle Audiopysic Modelle der High End und Reference Line auf den HHCT getauften Hochtöner.
Bei näherer Betrachtung (was Dank des Schnittgehäuses im Bild 3 und 4 oben möglich war) hat der HHCT getaufte Konushochtöner mit seinem vergleichsweise simplen Blechkorb-Papiertröten-Vorgängern wenig gemein. Dass man auch aus einer Konusmembran einen guten Hochtöner machen kann, wissen wir Dank der französischen Firma Davis ebenfalls. Welche Vorteile diese Bauart gegenüber einer Kalotte bieten soll, bleibt auch nach Studium des Technikteils der Audiophysic Homepage schleierhaft. Der Name Hyper Holographic Cone-Hochtöner zeugt jedenfalls von einem hohem Anspruch. Einen sogenannten Unique Selling Point - sprich: Futter für die Marketingabteilung - hat man so ungeachtet tatsächlicher technischer Vorteile auf jedenfall schon einmal generiert.
Bild 1 bis 4: In einer der Hallen der Messe konnte man sich Audiophysics Avantera zudem ganz genau an einem Schnittmodell anschauen. Ein gut engineertes Produkt hat nichts zu verstecken.
Bild 2 bis 4: Die gerundete Gehäuserückseite reduziert geringfügig stehende Wellen und ist heute einfach immer noch Mode. Vielfältige Versteifungen und eigene Gehäusekammern für die einzelnen Wege sind begrüssenswert. Die nahe der Chassis angebrachten Frequenzweichenplatinen halten die folgenden Kabelstrecken zwar kurz, bedingen aber, dass die trittschallempfindlichen Teile in der Druckkammer der Chassis liegen. Die wären mir in einer eigenen druckdichten Kammer lieber.
Löblich beim Verbau des Konushochtöners ist die von der Schallwand abgekoppelte Befestigung, das eigene (im Einsatz sicher bedämpfte) Gehäusevolumen und der Dämpfungsring um den äusseren Rand der Konusmembran. Ob man hierdurch Membranaufbrüche bedämpfen will, kann nicht beurteilt werden. Laut Audiophysic ist die Membran sehr steif und neigt wenig zu Membranaufbrüchen und den damit verbundenen Verzerrungen. Einen wünschenswerten Aspekt hat der dämpfende Schaumstoffring auf jeden Fall: Er mildert die stark gebündelte Abstrahlung zu hohen Frequenzen hin, die die grosse Konusmembran im Vergleich zu üblichen Kalotten aufweist.
Und es bleibt immer noch die Frage: Was soll der HHCT besser können als eine vergleichbar aufwändige, aber kleinere - und vermutlich auch leichtere - Kalottenmembranen?
Da half nur eins: Vorführung besuchen.
Bild 1 und 2: Den Tiefmitteltönern und dem Konushochtöner ist eine Schallwand vorgesetzt. Dies verdeckt unschöne Verschraubungen.
Bild 3 und 4: Die grösseren Plattenlaufwerke des für seine preiswerten Einstiegsdreher bekannte Marke Project sind mittlerweile in der Oberklasse angekommen - leider auch im Preis. Der Top-Tonarm, mit dem einteiligem Kohlefaserarmrohr und Headshell ist allerdings immer noch ein Best-Buy.
Vorgeführt wurde das zweitgrösste Modell Avantera der Topserie Reference Line an Hybridelektronik des italienischen Herstellers Pathos und einem Plattendreher von Project - s.a. Bild 3 und 4 oben.
An seichter (highendiger?) Singer Songwriter und Swing Musik liess die Avantera tonal nichts anbrennen. Sehr sauber, breitbandig, schön luftig und lebendig machte sie gleich deutlich, den hohen Anspruch einer Topserie auch entsprechen zu wollen. Einzig der Tiefton konnte nicht mit der Kontur und Präzision punkten wie es andere in dieser Klasse teilweise können. Das konnte aber durchaus auch der Raumakustik oder den Hybrid-Mono-Endstufen geschuldet sein. Was mir bei dieser Musik ebenfalls noch auffiel, war dass der Brillianzbereich nicht die Auflösung erreichte, die man bei den gespielten Titeln über andere Top-Lautsprecher kennt.
Leider zog sich der Eindruck eines eher bedeckten Brillianzbereich auch durch die weiteren Titel der Vorführung. Einmal war es Hildegard Knef, deren Stimme zwar schön sonor und mit ihrem ureigensten Timbre wiedergegeben wurde, deren Begleitinstrumente aber Feinauflösung vermissen liessen. Die Rassel klang eher bedeckt, Klavieranschläge leicht verhangen und auch Streicher nicht so frei, wie man es von anderen Konzepten kennt. Selbst die Grunge Band Pothead, deren unhighendige Aufnahme mehr als ausreichend Hochtonenergie freigab, hätte ich mir mit einer weng mehr Hochtonauflösung gewünscht.
In Summe handelt es sich bei der Avantera also um einen wirklich durchdacht entwickelten Lautsprecher mit vielen sinnvollen Detaillösungen. Auch die Abstimmung scheint weitgehend geglückt. Für meinen Geschmack täte dem Brillianzbereich ein wenig mehr Offenheit gut; oder man lässt die Marketingabteilung einen neuen Unique Selling Point suchen und verwendet einen richtigen Hochtöner. Mir würds gefallen.