Die erstmals auf der High End präsentierten Produkte der französischen Firma Devialet SAS scheint auf den ersten Blick ein Fall aus dem Highend-Dilemma-Lehrbuch zu sein:
Da proklamiert eine neue Marke mit hohem Marketingaufwand für sich, mit der Abwandlung von bekannten Schaltungsdesigns, die Hifi-Welt neu erfunden zu haben. Die wohl geneigte Journalistenschar bejubelt diesen, endlich gefundenen, Stein der Weisen als DIE technische Lösung und benötigt dafür nicht mehr als den Devialet eigenen Werbespruch "live and lossless". Ja, so hätten wir Highender das schliesslich gerne in den eigenen vier Wänden.
Devialet und Magico
Was steckt also tatsächlich hinter dem chromblitzenden flachen Kästchen?
Bild 1: Vor der Ausstellung im Atrium erweckte dieser ungewöhnlich designte Verstärker das Interesse.
Bild 2: Hinter der schicken Schale steckt geballte moderne Technik.
Wenn man die blumigen Marketingbeschreibungen von der ADH getauften Verstärkertechnik und die Möglichkeit der hochkantigen Wandmontage (lustige Idee) einmal aussen vor lässt, bleibt letztlich ein WiFi tauglicher Streamer und Stereoverstärker in einem Gehäuse. Der niedrige Ruhestrom (Leerlaufleistung) des Verstärkers entlarvt den Endverstärker zudem als - gar nicht so neuen und aussergewöhnlichen - ClassD-Verstärker, wie man ihn auch in einfachen Autoradios oder Subwoofermodulen findet. Die ominöse ADH (Analog-Digital-Hybrid) Technik verweist offenbar darauf, dass irgendwo im Gerät auch ein paar klassische ClassA Schaltungen und natürlich AD- und DA-Wandler verbaut sind. So etwas braucht man halt in den heute allgegenwärtigen WiFi-tauglichen Gerätschaften.
Unterm Strich bekommt man vergleichbare Technik heute als Streamer- oder Dockingstation-Kombis für dreistellige Beträge. Wer einen höheren Qualitätsanspruch hat und sich lieber auf namenhafte Highend-Firmen verlässt, der erhält Vergleichbares beispielsweise von Linn. Hier auch schon zu höchst unangenehmen vierstelligen Beträgen. Ein Devialet D-Premier will dagegen mit 12.500 EUR bezahlt werden.
Ok, da muss man nochmal genauer rein schauen. Und das ging tatsächlich. So ging Devialet erfreulich offenherzig mit der Ausstellung des Innenlebens des Gerätes (s. folgende Bilder und Bild 2 oben) um.
Bild 1 und 2: Informativ gestaltete Ausstellung mit vielen Exponaten.
Bild 3: Vielfältige digitale Anschlussmöglichkeiten.
Tut mir Leid: Für das makellose verchromte Finish des hochwertigen Gehäuses wäre ich bereit ein paar Hunderter extra zu kalkulieren; auch die hochwertig bestückten und sehr sauber gelayouteten Platinen rücken den Devialet Premier eher in die "Linn-Klasse" als in die der Eletronik-Ramsch-Kistenschieber-Märkte. Trotzdem: Für den aufgerufenen Betrag muss das Gerät wirklich die angepriesenen akustischen Wunder vollbringen.
Auch diese Prüfung war möglich: An den bestens beleumundeten Magicos konnte sich der neue WiFi-Verstärker-DA-Wandler beweisen.
Bild 1 und 2: Für einen "no cable" Verstärker wurden die immer noch notwendigen Lautsprecherkabel prominent in Szene gesetzt.
Ich verkneife mir jetzt mal weitere Spitzen über beleuchtete, dicke, weisse Kabel unter dem Slogan "the best cable is no cable", wundere mich aber doch sehr über den Inhalt Aussage. Wir audiophilen Highender müssen schon für schwer minderbemittelt gehalten werden, wenn man meint, man kann uns eine kabellose digitale Übertragung (WiFi) als die klanglich bessere gegenüber der kabelgebundenen digitalen Übertragung verkaufen. Das ist technisch nicht nur Unsinn, sondern im Bezug auf den Klang eines streamingfähigen DA-Wandlers mit eigener Clock klanglich komplett unerheblich.
Nun gut, zurück zur analogen Welt der Schallwellen, die mein Ohr trafen:
Wie bereits bei mehreren Vorführungen vorjähriger High End Messen auch, bestätigte sich auch an den Devialets, dass die Magicos zwar tonal sauber spielen, aber in der Presse extrem überbewertet werden. Das uninspirierende, dynamisch etwas müde Klangbild klebte an den Lautsprechern; eine virtuelle Bühnenabbildung mochte sich einfach bei keiner Musik einstellen; der Vortrag wirkte flach und synthetisch. Daran können offenbar auch die kabellosen Wunderverstärker nichts ändern.
Eine zweite Chance bekamen die Devialets an den wirkungsgradstärkeren, dynamischeren, aber auch ein wenig heller bis überbrilliant abgestimmten Focal Utopias.
Devialet und Focal
Bild 1 und 2: Besser versteckte Kabel zwischen Devialet und den Focal Utopias.
Bild 3: Die mechanisch verstellbaren Gehäusesegmente der Utopia zur Anpassung des Abstrahlverhaltens an den Hörabstand sind mehr als Show als eine akustische Notwendigkeit.
An den Scala Utopias geriet die Bühnendarstellung etwas glaubhafter und das gesamte Klangbild etwas frischer und dynamischer als an den Magicos. Richtige Freude an einem anrührenden Musikgenuss wollte sich aber auch hier nicht einstellen. Zumindest scheint tonal bei den Devialets alles mit rechten Dingen zuzugehen, so konnte man die typische progressive Focal Abstimmung auch hier klar erkennen. In Bezug auf Auflösungsvermögen und dynamische Fähigkeiten meine ich die Utopias schon in besserer Verfassung gehört zu haben.
Unterm Strich sind die Devialets eine interessante Gerätegattung, die Stand 2012 bereits auch in den unteren Preiskategorien der Consumer-Welt angekommen ist. Hinsichtlich ihrer klanglichen Qualitäten als DA-Wandler und Verstärker konnte ich auf dieser High End keine besonderen Stärken erkennen.