Bis auf die unglückliche Vorführung auf der High End 2005 konnte ich seitdem wenig von den Wilson Benesch Lautsprechern berichten. Wer allerdings in weiteren Rubriken, ausser dem der Messeberichte, meiner Homepage geschmökert hat, weiss dass ich trotzdessen den britischen Lautsprecherhersteller in mein audiophiles Herz geschlossen habe. Daher war die Vorfreude gross in diesem Jahr wieder richtiges Stereo-Hifi an gut bewährter Elektronik aus dem Pott (Audionnet) hören zu können - und dann auch noch über ein brandneues Topmodell.
Bild 1: Frontend (Plattenspieler) und Backend (Lautsprecher) vom Kohlefaserspezialisten Wilson Benesch - Elektronik aus dem Pott von Audionet.
Bild 2 und 3: Exlusivste Chassis von Murata (vergoldeter Piezo-Superhochtöner), Scan Speak (Seidenhochtonkalotten) und aus eigener Fertigung bei Wilson Benesch (Tactic II Tiefmitteltöner in der Rückansicht).
Bei dem auf den ersten flüchtigen Blick als alten Bekannten erkannten A.C.T. Lautsprecher, handelt es sich nämlich um den Standlautsprecher der neuen Wide Bandwidth Collection - namentlich um die A.C.T. C60 LE. Ausgeschrieben steht dies für Advance Composite Technology Cabinet Carbon 60 Atom Limited Edition.
Ok, ich hatte in meinem Messebericht schon einige sperrige Namensgebungen zu erläutern; der Titel für den am schwersten zu verstehenden Hifi-Namen haben die Briten mit der A.C.T. C60 LE aber sicher. Nachdem sich die Namensgebung an den Spezifikationen der Konstruktion orientiert, lohnt es sich diesen zu entschlüsseln. Dieser Entschlüsselung widme ich die folgenden Absätze bis zu den nächsten Bildern. Wen dies nicht interessiert, oder stattdessen lieber das ausführliche White Paper auf der Homepage des Herstellers zur A.C.T. C60 liest, kann also unten weiterlesen.
Fangen wir mit dem Einfachem an: Die Limited Edition unterscheidet sich durch die Sonderfarben Silver Grey oder Black Carbon von der Standard Version. Wer keine LE mehr bekommen hat, muss aber nicht traurig sein, so bietet Wilson Benesch doch einige weitere Oberflächen an, sowie Holzfurniere in mattem oder glänzenden Lack. Letzteres ist bei Wilson Benesch schon eine Besonderheit, denn für die Gehäusestruktur selber setzt man seit jeher auf einen resonanzarmen Komposit ausgewählter Materialien zu denen Holz eben nicht gehört. Daher also A.C.T. - Advance Composite Technology cabinet.
Und dieses A.C.T. ist nicht nur eine Marketingfloskel; bereits seit 20 Jahren entwickelt Wilson Benesch resonanzarme Gehäuse bzw. solche die, die von den Chassis eingeleiteten, Energien möglichst schnell ableiten. Daher besteht die tragende Struktur aller A.C.T. Modelle aus einer Aluminiumlegierung und das Gehäuse selber größtenteils aus einem Kohlefaser-Monocoque. Die perfekte Verarbeitungsqualität der Kohlefaser und das makelose Finish belgen zudem die langjährige Erfahrung mit diesem Werkstoff. Angeblich sollen daher auch Unternehmen aus anderen Branchen Kohlefaser verstärkte Kunststoffteile bei Wilson Benesch ordern.
Eine weitere Spezialität sind die komplett eigenentwickelten und gefertigten Tief- und Tiefmitteltöner, die ebenfalls Kohlefaser als Membranmaterial nutzen. Mit diesem heute nicht mehr so unüblichen Membranmaterial sind die Besonderheiten dieser Chassis aber noch nicht erschöpfend erfasst. Die gesamte Kontruktion ist auf geringste mechanische Verluste bei gleichzeitig hoher innerer Dämpfung ausgelegt. Auf Bild 3 oben kann man gut den besonders strömungsgünstigen und massearmen Korb und den kompakten Antrieb erkennen. Der optisch gewöhnungsbedürftige verdrehte Einbau ist übrigens auch eine Besonderheit der grossen Modelle von Wilson Benech; wird bei der A.C.T. C60 aber nicht angewendet. Die Parameter der Chassis hat man also präzise unter Kontrolle. Hierbei hilft auch ein definiertes Gelege und ein nur teilweises Verbacken der Kohlefasermatten, so dass man die Tiefmitteltöner bei Wilson Benesch auch vollkommen ohne Beschaltung mit Frequenzweichenbauteilen betreiben kann. Der akustisch flache Roll-off findet bei der Übernahmefrequenz von 5 kHz statt. Die Hochtöner haben bei Wilson Benesch also keine schwere Arbeit zu leisten.
Nichtdestotrotz setzt man bei Wilson Benesch immer schon auf die 28 mm grosse Seidenkalotte von Scan Speak, die man auch deutlich tiefer ankoppeln könnte. Kenner der Marke werden nach den bisherigen Ausführungen einwänden: soweit so gut, so kennt man das von den mittlerweile 15 Jahre alten A.C.T. Modellen bereits. Bis zu diesem Punkt handelt es sich tatsächlich nur um evolutionäre Weiterentwicklungen der bisherigen Designs.
Bild 1: Blick vom Sweet Spot auf die gesamte Vorführkette.
Bild 2 und 3: Auch beim Full Circle Plattenspieler kommt viel Karbon zum Einsatz. Nicht sichtbar sind die Karbonstangen über die das Tellerlager von der Basis an- bzw. entkoppelt ist. Der neue hyperbolisch geformte Tonarm Nanotube One ist grösstenteils aus einem extrasteifen Kohlefasergewebe gefertigt. Und auch der auf einem Benz System aufbauende Tonabnehmer hat ein minimalistisches Gehäuse aus Karbon.
Bei dem prominent golden schimmerden Töner über der Scan Speak Kalotte beginnt nun aber endgültig die neue Wide Bandwidth Zeit. Ab hier sollte doch kein Techtalk mehr kommen? Stimmt, aber der vergoldete Piezo-Keramik-Superhochtöner muss erwähnt werden, um ergründen zu können warum die A.C.T. C60 anders klingt als die bisherigen Wilson Benesch Designs.
Der vom japanischen Elektronikriesen Murata zugekaufte Superhochtöner deht den Frequenzgang der A.C.T. C60 auf bis 100 kHz aus, kann aber erst ab ca. 15 kHz eingesetzt werden. Im Falle der A.C.T. C60 spielt er den Bereich von 20 bis 100 kHz. Die Frage danach, wozu man überhaupt diesen Übertragungsbereich bei Lautsprechern benötigt ist gar nicht so leicht zu beantworten. Zum einen endet bei Erwachsenen das Hörempfinden bei ca. 15 bis 16 kHz - bei potenziellen Kunden, die sich den mit 25.000 EUR pro Paar nicht eben günstigen Lautsprecher leisten können, wahrscheinlich noch früher; zum anderen enthält das CD-Signal gar keine Frequenzen über 20 kHz.
Vor diesem Hintergrund macht es zumindest Sinn, einen Plattenspieler als Zuspieler zu benutzen, da dieser durchaus in der Lage ist höherfrequente Signale als 20 kHz abzugeben. Ob es sich hierbei dann um ein Nutzsignal der Aufnahme handelt, oder beim Schneidevorgang des Plattenmasters oder beim Abstastvorgang erzeugte Einflüsse sei einmal dahingestellt. Hieraus begründet sich sicher zu einem Teil das Flair, was die Wiedergabe von Vinyl ausmacht.
Was die Wahrnehmungsfähigkeit des menchlichen Gehörs für solche hohe Frequenzen angeht, mag ich an dieser Stelle keine diskussionswürdige Grundsatzplädoyers halten. Dass der Mensch bei gleicher Grundfrequenz, die durch (hochfrequente) Transienten erzeugten Klangfarben einzelner Impulse, wie dem Anreissen einer Gitarrensaite oder dem Anschlag eines Schlaginstrumentes, zu unterscheiden vermag sei an dieser Stelle aber erwähnt. So ist es duchaus glaubhaft, dass schon Journalisten der Printpresse bei der A.C.T. C60 (deutliche) Unterschiede zwischen der Wiedergabe über einen abgedeckten oder frei abstrahlenden Superhochtöner gehört haben. Zudem erklärt es den Umstand, dass sich ein mehr als 30.000 Mitarbeitergrosser Eletronikriese zur Entwicklung eines solchen Nischenproduktes hinreissen lässt, und warum in USA Hifi-Anhänger 2.000 bis 3.000 USD für einen dieser Superhochtöner auszugeben bereit sind. Diesen konnte man nämlich bei Murata auch als Aufsatz-Superhochtöner ES103 einzeln ordern (bis dessen Produktion eingetellt wurde).
Ich entschuldige mich für die lange Vorrede und auch die Vorschusslorberren, mit denen ich meine mitreisenden Ohrenpaare auf die Wilson Beneschs eingestimmt habe. Denn:
Gefallen hat das akustische Ergebnis keinem von uns. Wir waren uns einig, dass das Klangbild seltsam inhomogen und tonal unausgewogen war. Gerade natürliche akustische Ereignisse wirkten seltsam in ihre Frequenzbereiche zerrissen und der Brillianzbereich unangenehm hell überbetont. Ob dies nun naheliegenderweise dem Murata Superhochtöner zuzuschreiben ist, oder einer tonalen Fehlabstimmung, lässt sich anhand der Messervorführung nicht beurteilen. Dass auf jedenfall auch der letztere Effekt zum tragen kam, dafür sprach eine unangenehme Präsenzüberhöhung, die Stimmen vorlaut ertönen liess; und hinsichtlich des Frequenzgangs dem Tiefmitteltöner zuzuschreiben ist.
Schade, denn die Anlagen einer besonders luftigen und dynamischen Wiedergabe ohne einbremsende Effekte energiespeichernder Lautsprechergehäuse konnte man auch bei diesem Wilson Benesch Lautspercher heraushören. Spass beim Hören gab es aufgrund der besagten tonalen Fehler trotzdem nicht.