Über die Entdeckung der Vorführung von Tim de Paravicinis EAR Geräten war ich besonders glücklich. Nicht, dass ich die klangliche Signatur seiner Röhrenverstärker, die ich im Vergleich zu mir bekannten Transistorgeräten schon habe hören können, besonders schätze. Nein, die klangen mir allesamt zu "röhrig". Aber auf der Messe ergab sich die seltene Gelegenheit Vinyl über Tim de Paravicinis Schallplattenspieler zu hören.
Bild 1: Das erwartet man bei Tim de Paravicinis EAR: Spleenige Röhrenverstärker im Retro-Look.
Bild 2: Hier denken viele an die Kopie von Transrotor: Der Ruhm des ersten Masselaufwerks mit berührungslosem Magnetantrieb gebührt allerdinmgs Tim de Paravicini mit dem Master Disc.
Eben jener Plattenspieler - der EAR Master Disc - ist etwas Besonderes. Im Gegensatz zu anderen Subchassis- oder Masselaufwerken wird der Plattenspieler nicht direkt oder über einen Riemen angetrieben, sondern über ein sich drehenden Magneten unterhalb des Tellers, der diesen berührungsfrei antreibt.
Vinylkenner mögen jetzt einwänden, so etwas gäbe es bei Transrotor auch: In Form des protzigen Masselaufwerkes Tourbillon FMD oder in weniger konsequenter Umsetzung als TMD-Lager. Hierzu sei erwähnt, dass meines Wissens der EAR Master Disc schon etwas länger als das Laufwerk von Transrotor existiert. Wie dem auch sei, ist der EAR zumindest der einzige Subchassisdreher mit dieser Antriebstechnik. Leider muss dies unverständlicherweise mit ca. 20.000 EUR für einen spielfertigen Dreher erkauft werden. Bescheiden ist man bei EAR also auch nicht.
Bild 1: Hier lässt sich schön die Subchassiskonstruktion des EAR Master Disc erkennen.
Bild 2: Der berührungslose Antrieb wird optisch nicht präsentiert, sondern versteckt sich hinter einer Chromblende. Mit dem kleinen Riemen unter dem Laufwerk wird der Magnet vom Motor angetrieben.
Über Elektronik von EAR sei hier nur so viel erwähnt, dass es sich um klassische, aber auch sehr konsequent umgesetzte Röhrenschaltungen handelt, die auf vergleichsweise geringe Verzerrungen ausgelegt sind.
Bild 1: Erstaunlich, dass der EAR 912 Vorverstärker trotz "veralteter" Röhrentechnik noch immer in manchen Musikstudios verwendet wird. Das erklärt auch den Profi-19-Zoll-Rack-Look.
Bild 2: Im Inneren erkennt man die Zutaten für den speziellen Sound: Röhren, Übertrager und eigengefertigte Trafos. Alles Komponenten, die nicht der reinen Lehre der unverfälschten Signalverstärkung folgen, deren eigene Klangsignatur von Liebhabern aber geschätzt wird.
Bild 3: Optisch erinnert mich der EAR acute III CD-Player an CD-Spieler der 90er Jahre mit aufgesetzter Chromfront. Innerlich werkeln moderne Wolfson Wandler - und natürlich Röhren in der Ausgangsstufe.
Bild 4: Auch wer es grösser und moderner mag, findet nun bei EAR passende Verstärker. Die Vorstufe 312 Control Center hat symmetrische Anschlüsse und die Endstufen M100 liefern bis zu 100 Watt.
Gespannt war ich auf die ersten Töne von CD und Vinyl. So waren hier noch weitere Geheimtipps aufgefahren, die Kennern höchsten Musikgenuss versprechen: Die bestens beleumundete Profi-Vorstufe EAR 912, der 3-Wegelautsprecher Rockport Technologies Mira II und natürlich der EAR Master Disc. Von allen, in Deutschland sehr raren, Einzelkomponenten schwärmen Journalisten aus dem amerikansichen Raum.
Bild 1 bis 3: EAR Abspielkette im Überblick.
Vollkommen alleine im Raum, im Sweet Spot sitzend, verharrte ich gebannt der Klänge von Ella Fitzgerald und Louis Armstrong, die sich berührungslos angetrieben auf dem Master Disc drehten.
Und wurde, trotz meiner Vorbehalte gegenüber der Röhrentechnik, nicht enttäuscht. Der Anlage gelang im Hörraum eine sehr lebhafte und natürliche Bühnendarstellung mit beeindruckender Grobdynamik. Auch tonal schien mir alles in Ordnung zu sein. Die etwas scharfe Höhenwiedergabe war wohl der doch etwas betagten, aber ansonsten sehr guten Aufnahme geschuldet.
Verbesserungsfähig erschien mir lediglich die etwas eingeschränke Feinauflösung und die eher weite, anstatt präzise ortbare Bühnendarstellung. Dieser Eindruck bestätigte sich bei Steve Ray Vaughan, dessen Live-Einspielung sehr lebendig, mit guter Grodynamik, weiter und tiefer, aber nicht mit sehr ortungsscharfer Bühne wiedergegeben wurde. Präsenz- und Brillianzbereich wurden sehr schön neutral wiedergegeben, was von einer gekonnten Abstimmung zeugt. Einzig der Tiefton kommt über potenteres Equipment, wie beispielsweise ungleich stärkere Aktivlautsprecher, deutlich konturierter und knackiger. Über die Röhrenverstärker und die 25er Papierbässe der Rockport Mira II klang der Tiefton eher rollend und gemütlich.
Beim Wechsel von Vinyl auf den EAR CD-Spieler acute III änderte sich wenig am Klangbild. Tonal sehr ähnlich dem Plattenspieler, konnte auch er dem Tiefton nicht mehr Kontrolle und Druck verleihen. Das kann man - je nach Blickwinkel - nun als Kompliment für den schön spielenden CD-Spieler oder den neutralen Plattenspieler empfinden. In Summe eine zwar extravagante, aber bis auf die beschriebenen Einschränkungen auch gut klingende Kette.