Die erste Teilnahme des etablierten finnischen Profiausrüsters Genelec auf der High End empfinde ich als bemerkenswert. Manche mögen unken, dass da zwei unvereinbare Welten aufeinander prallen:
Auf der einen Seite die Profis, für die Aktivlautsprecher nur Arbeits- und nicht Genussmittel sind; für die Optik keine Rolle spielt, aber die vielfältigen Einstellungsmöglichkeiten für unterschiedliche Einsatzsituationen wichtig sind. Auf der anderen Seite die irrationalen Audiophilen, die un-highfidelen Klangidealen nachjagen, Unsummen für schicke Schale ausgeben und den Klang ihrer Anlage lieber über ein Silberkabel, als einen DSP einstellen.
Soviel zu den Vorurteilen.
Bild 1 und 2: Komplette Palette der vorgeführten Studiomonitore.
Bild 2: Die Modelle von links nach rechts: 8260A (3-Wege), und die 2-Wege-Monitore 8040A, 8030A, 8020B und 6010A.
Schritt für Schritt wachsen die beiden Welten in jüngerer Vergangenheit allerdings zusammen. Für mobile Abspielgeräte und Netzwerkplayer wird der Aktivlautsprecher langsam immer mehr zum natürlichen Sparingspartner. Und die von Hardcore Highender und Retro-Hifi-Liebhabern ehemals verteufelten DSP´s sind mittlerweile allgegenwärtig und verbessern mit stetig zunehmender Leistungsfähigkeit und Qualität die Abhörsituation von Car-Hifi, Heimkino, oder eben auch dem klassischen Musikzimmer.
So gesehen, war es nur eine Frage der Zeit, bis ein Profianbieter seine Produkte auch am Homehifi-Markt etablieren möchte. Die ebenfalls auf der Messe vertretenen Kollegen von Backes & Müller fahren eine andere Strategie und haben für den Profisektor die eigene Marke KS Digital.
Die Finnen probieren den Spagat zwischen den beiden Kundengruppen mit den gleichen Aktivlautsprechern, die so bereits in Profikreisen etabliert sind. Im Gegensatz zu anderen Aktivlautsprecheranbietern aus der Profiszene mag das sogar mit den kleineren Genelec Modellen gelingen. Im Gegensatz zu anderen fürchterlich hässlichen Kühlschrankkisten für den querliegenden Tonstudioeinsatz, sehen die rundlichen Aluguss-Gehäuse der Genelecs auf ihren Füsschen doch ganz putzig und wohnraumtauglich aus.
Bild 1 und 2: Ortsfilter und einstellbare Eingangsempfindlichkeit sind typische Ausstattungsmerkmale von Aktivmonitoren für den professionellen Einsatz.
Kurz noch ein paar Worte zu Technik und Preisen: Alle Monitore besitzen ein verrundetes Aluguss-Gehäuse, das um den Hochtöner eine kurze hornähnliche Schallführung aufweist, die Genelec vollmundig Directivity Control Waveguide nennt. Die Lautsprecher sind magnetisch geschirmt, können bezogen auf ihre Grösse hohe Pegel abstrahlen und sind in weiss oder schwarz lieferbar. Die Preis beginnen mit dem kleinsten Aktivmonitor 6010A bei freundlichem 500 EUR pro Paar. Für das grösste auf der Messe präsentierte Modell, dem 3-Wege-Monitor 8260A, werden schon unangenehmere 8.000 EUR pro Paar aufgerufen. Angesicht des Gegenwertes eines ausgewachsenen vollaktiven 3-Wegelautsprechers - die kompakte Form täuscht schnell über den 25er Tieftöner und die 27,5 kg Lebendgewicht hinweg - mit einer unteren Grenzfrequenz von 29 Hz und einem Nennschallpegel von bis zu 113 dB relativiert sich der Preis allerdings schon wieder. Zudem lässt sich die 8260A über Messmikrofon und einen externen Rechner in beliebig vielen Setups auf nahezu jede Raumsituation und den Hörergeschmack einmessen. Allein für diese Technik verlangen andere schon empfindliche vierstellige Beträge - ohne einen Aktivlautsprecher mitzuliefern. Preis-Leistungen stimmen also, was sicher auch den bereits erzielten hohen Verkaufszahlen im Profibereich zu verdanken ist.
Bild 1: Infos zum 3-Wege-Topmodell der 8260A.
Bild 2: Was aussieht wie eine flache hornähnliche Schallführung für den Hochtöner ist tatsächlich ein sickenloser Mitteltöner - die 8260A besitzt also einen Koax.
Bild 3: Neben analogen und digitalen Eingängen verfügt der Aktivmonitor auch über eine Computerschnittstelle über die er sich auch automatisch einmessen lässt.
Wie klang es nun?
Die Erwartungen waren hoch, so liess Genelecs Marketing Manager im Vorfeld der Messe doch offiziell verlauten, dass man "eine der besten, wenn nicht gar die beste Klangvorführung der Messe liefern wird".
Ok, an dieser Aussage massen wir die unterschiedlichen Genelec-Modelle gerne. Warum in der Überschrift zu diesem Kapitel des Messeberichts trotzdem kein "Best Sound of Show" steht, erkläre ich nun kurz.
Die Wiedergabequalität war nämlich alles andere als schlecht. Ganz im Gegenteil kann man doch objektiv festhalten, dass jeder der gespielten Aktivlautsprecher in seiner Grössenklasse zu sehr anständiger Musikwiedergabe in der Lage ist. Grössenbedingt wird das gesamte Klangbild zu den grösseren Modellen hin natürlich immer breitbandiger, kompletter und ist mit grösseren Dynamikreserven gesegnet. Das ist aber Physik, die eben auch für Aktivlautsprecher gilt. Wenngleich diese über die aktive Entzerrung im Vergleich zu Passivlautsprechern aber eine höhere Grenzdynamik erreichen und dadurch grösser wirken.
So gelang bereits der kleinsten 6010A mit ihrem niedlichen 8 cm Tiefmitteltöner und ihren 2x 12 Watt Verstärkerleistung eine ganz passable Wiedergabe, die im Tiefton aber deutlich eingeschränkt wirkte. Kein Wunder bei ca. 70 Hz ist hier schon Schluss. Als hochwertige Desktoplösung oder als Kleinbox für unterwegs an einem mobilen Zuspieler ist sie aber durchaus eine Überlegung wert.
Wie zu erwarten wurde der Hörraum ab der 8040A (17er Tiefmitteltöner und 2x 90 Watt Verstärker) schon ausreichend breitbandig und pegelfest beschallt. Das grösste vorgeführte Modell, die 8260A klingt wie eine ausgewachsene Standbox - Kunststück ist sie doch auch genauso voluminös und nur klobiger in ihrer Form. Auch der eigenwillige Koax mit der kleinen Alukalotte in der Mitte des sickenlosen Schaumstoff-Tiefmitteltöners macht seine Aufgabe sehr gut, denn er fällt im besten Sinne überhaupt nicht auf. Wie bei den anderen Modellen auch wirkt die Wiedergabe geschlossen, homogen, neutral, ist mit einem sehr breiten Abstrahlverhalten gesegnet und gänzlich unspektakulär.
Leider ist genau der letzte Punkt, der im Sinne einer unverfälschten Wiedergabe ja durchaus von vielen Audiophilen gewünscht wird, auch die Fussangel, die dazu führt, dass wir uns alle nicht zu einem "Best Sound of Show" durchringen konnten. Nicht dass wir plötzlich auch spleenige und kreischende Soundmaschinen, wie viel zu oft auf der High End zu hören, gut heissen würden; aber das Klangbild wirkte leider auch ein wenig matt, belegt und dynamisch leicht eingeschnürt. Das gefiel uns bei anderen Topvorführungen besser. Am besten war das bei Harry Belafontes berühmten Livekonzert auszumachen. Bei Topendketten reisst einen die Liveatmosphäre sofort mit, Belafontes Stimme kann einen anrühren und bei geschlossen Augen fühlt man sich in Zeit und Raum der Aufnahme versetzt. Bei den grösseren Genelecs ist das klangbild schön neutral, angenehm, ohne jegliche tonalen Fehler oder Klirr, aber auch wenig lebendig, luftig und bleibt einfach eine Konservenwiedergabe. Gutes Hifi eben. Upps - Letzteres lesen die Profis sicher gar nicht gerne, schimpfen Sie doch bei Homehifi-Technik mit ihren tonalen Schwächen doch genau so über unsere Nicht-Studiotechnik: Hifi eben. Die lieben Vorurteile...
Ausblick auf den High End 2012 Bericht: Genelec war wieder dabei. Dieses Mal allerdings mit ungleich schwererem Geschütz. Das war zwar alles andere als wohnraumtauglich, machte aber richtig Spass!