Der Newcomer Surrountec aus dem Schwäbischen gab auf dieser Highend sein Debut. Dass es den Entwicklern mit ihren grossen passiven Lautsprechern wirklich ernst ist, davon zeugen die durchweg höchstwertigen Zutaten, die sie für ihre Lautsprecher verwenden. Das (Kein-)Frequenzweichenkonzept sorgte bei Technikinteressierten allerdings eher für Verwirrung anstatt mit einer stimmigen Neuerung zu überzeugen. Na, wenns denn trotzdem gut klingt!?
Bild 1 und 2: Surrountec bot auf jedenfall das stilsicherste und komfortabelste Gestühl auf der High End.
Bild 3 und 4: Keramik- oder Diamanttöner von Thiel und Partner in hochglanzlackierten grossen schwarzen Gehäusen - das Topmodell Meisterstück könnte rein optisch auch von Tidal stammen.
Erst einmal hatten wir das Gefühl das alles schon einmal gesehen zu haben: Seit Jahren bietet der Hürther Spezialist Tidal - vor allem für den ausländischen, zahlungsfreudigeren Markt - Topend-Passivlautsprecher mit den Accuton Chassis von Thiel und Partner an und verpackt diese sehr edel, aber auch ein wenig trist in hochglanzpolierten schwarzen Pianolack-Gehäusen. Hier scheint man sich bei Surrountec inspirieren lassen zu haben. Um sich optisch dann doch ein wenig abzuheben, haben die massiven, aber letztlich aus gewöhnlichem MDF bestehenden, Schallwände zumindest eine organisch geschwungene Freiform aufgefräst bekommen. Der strengere kubische Stil der Tidals gefällt mir optisch besser. Geschmacksache.
Aber was wirklich zählt sind ja bekanntermassen die inneren Werte. Und diesbezüglich haben sich die Schwaben etwas einfallen lassen: Alle Chassis laufen angeblich über den vollen Frequenzbereich frei ohne Frequenzweiche, bzw. mit einer 0 dB-Weiche, bzw. eigentlich nur mit Korrekturgliedern, aber ohne feste Trennfrequenz...
Ok, das muss man erst einmal verdauen. Mit dem Lautsprecherbau bewanderte Zeitgenossen gaben auf diese - schon in sich widersprüchlichen Aussagen - auch sogleich zu bedenken, dass dies technisch gar nicht möglich sei; und schon gar nicht mit Hartmembranchassis wie den Keramik- oder Diamant-Accutons, die ausserhalb ihres angedachten Einsatzbereiches zu heftigen Membranaufbrüchen neigen. Ein Hochtöner - auch ein grosser und breitbandiger 50 mm Typ - der ein starkes Tieftonsignal ohne den Schutz einer Frequenzweiche abbekommt, wird wohl binnen kürzester Zeit mit einer durchgeschmorten Schwingspule oder einer gebrochenen Membran reagieren. Insofern haben diese Aussagen höchstens bei komplett fachfremden Kaufinteressierten eventuell den Nimbus des Extravaganten ausgelöst. Unterm Strich waren diese Marketingslogan eher unglücklich. Wahrscheinlich ist daher hiervon nichts mehr auf der Internetseite des Herstellers zu lesen.
Kurz zu löblicheren und auch technisch nachvollziehbaren Eigenschafte: Die Gehäuse sind zwar nur aus MDF, dafür aber aufwendig versteift und die Schallwände sehr dick. Die Accuton Chassis, wie die 50 mm Mittelhochton-Diamantkalotte, die zwei 180 mm Keramik-Tiefmitteltöner in Quasi-D´Appolito-Anordnung, sowie die zwei 280 mm Keramik-Tieftöner, gehören zu den besten Treibern am Markt, auch wenn sie, zur Vermeidung von unerwünschten Verzerrungen, sorgfältig beschaltet werden wollen. Die (Keine-)Frequenzweichenbauteile sind hochwertige Bauteile von Mundorf (Folienspulen) und Duelund (Folienkondensatoren), die gerne unangenehme dreistellige Preisschilder tragen. Erwähnenswert ist ebenfalls, dass der häufig zu hörende Hinweis, dass die Chassis nach eigenen Vorgaben und in dieser Form nur für diesen Hersteller gefertigt werden, und dass es sich keinesfalls um Produkte von der Stange handele, im Falle von Surrountec wohl tatsächlich einen Funken Wahrheit in sich trägt: Die Körbe der Tieftöner fräst Surrountec selber aus dem Vollem (neben dem hohen Aufwand und den damit verbundenen Kosten erschliesst sich mir allerdings der Sinn dieses Unterfangens nicht) und die Chassis seien zudem bedämpft und mit einer, für das Surrountec-Schaltungskonzept, passenden Güte gefertigt worden.
Bild 1: Der 50mm Accuton Mittelhochtöner mit Diamantmembran ist sicher einer der besten, aber auf jedenfall der teuerste Hochtöner, den man am freien Markt kaufen kann...
Bild 2: ...daher war ich auch nicht der einzige der die Gelegenheit nutzte diesen fotografisch festzuhalten.
Bild 3: Die angeschlossene Elektronik war von Krell...
Bild 4: ..und die schlauchdicken Kabel von ZenSati.
Ok, Surrountec hat sich durchaus Gedanken gemacht bei der Realisierung des Cost-no-Object Passivlautsprecherprojekts - genannt Meisterstück. Die teuren Zutaten und das aufwendige Finish schlagen sich natürlich auch auf den Verkausfpreis nieder: Um 250.000 EUR muss man für ein Paar der mannshohen Lautsprecher seine Portokasser erleichtern. Für diesen Kurs mussten sich die Surrountecs nun auch an den Topend-Lautsprechern vom Schlage einer Tital oder TAD messen lassen.
Mit deren Perfektion konnten Sie leider in der vorgeführten Konstellation nicht mithalten. Bei diversen akustischen Stücken aus dem Jazz-Pop-Bereich - ich bin aufgrund der sehr gemütlichen Eames Lounge Chairs länger sitzen geblieben, als es der akustiche Genuss notwendig gemacht hätte - zeigten die Meisterstücke eine akzeptable Über-Alles-Tonalität. Will heissen: Bis auf den, selbst in der Schallschnelle sitzend, sehr starken Tiefton, ging die Neutralität in Ordnung. Ein paar diesbezüglich sehr kritische Zeitgenossen empfanden sitzplatzabhängig dann doch ein paar kleinere Ausreisser im Präsenz- und Brillianzbereich. Hierfür könnten durchaus zu hohen Frequenzen immer stärker gebündelt abstrahlenden grossen Chassisdurchmesser, des breitbandig spielenden 50 mm Hochtöners und 180 mm Tiefmitteltöners verantwortlich sein. Zudem fehlten Mitten, was viele akustische Instrumente und Stimmen die heute moderne Tsching-Bumm-Anmutung gab.
Orgelmusik bei sehr hohen Pegeln ertönte sehr substanziell und auch im Tiefton sehr gut konturiert und sauber. Die Pegelreserven sind Membranflächen- und Volumen-bedingt sehr hoch.
Was bleibt? Insgesamt ein hochwertiger, aber bezüglich seiner Abstimmung noch zu verbessernder Passivlautsprecher, die viel zu teuer ist und dessen spezifische Lösungen, wie der grosse Diamanthochtöner, keinen akustischen Vorteil gegenüber anderen Highend-Lautsprechern erkennen lässt. Vergleichbare Konzepte von Tidal (auch auf dieser High End oder auch Best Sound of Show 2010) sind hinsichtlich ihrer Klangqualitäten klar überlegen.
Ausblick High End 2012: Surrountec war wieder dabei und konnte hinsichtlich des Highlights der Vorführung noch einen drauflegen: Neben dem Designklassiker Lounge Chair von Eames konnte man in einem zweiten Hörraum auch auf einem wunderschönen Highback Sofa fläzen. Im Vergleich hierzu herrschte andernorts nur Bierbank-Komfort.