Fast Audio Messestände verlasse ich üblicherweise mit gemischten Gefühlen. Ein Gespräch mit Thomas Fast ist zwar immer höchst angenehm und erfrischend. Auch seine Produktauswahl hält einige Juwelen bereit, die ausserhalb des Mainstreams ganz hervorragende Klangqualität versprechen. Wie etwa die Tonabnehmer von Lyra oder die Hybridelektronik von AMR. Ihm ist es zudem zu verdanken, dass sich auch Hifi-Anwender mehr um ihre Raumakustik bemühen - dem entscheidensten Faktor bei gutem Klang daheim. So vertreibt er erfolgreich Schaumabsorber, wie sie in Tonstudios seit jeher ein Muss sind. Andererseits hält er auch einige Zubehörprodukte im Sortiment, deren Wirkung ich im Sinne einer neutralen Musikwiedergabe - sagen wir es vorsichtig - für höchst fragwürdig halte.
Nun steht da eine winzige Kompaktbox mit vergleichsweise einfacher Bestückung im kleinen Hörraum und soll der Referenzkette als Abhörlautsprecher dienen. Wenn das mal gut geht...
Best Sound of Show
Bild 1: Auch wenn Anlage und die kleinen Kompaktlautsprecher auf den ersten Blick vergleichweise bescheiden wirken, in Euro gerechnet stehen hier höhere fünfstellige Summen.
Bild 2 bis 4: Rein äusserlich kommt man der formidablen Kiso nicht auf die Schliche. Auch wenn die Verarbeitung und die Lackierung hervorragend sind, lässt doch andererseits die bescheidene Chassisbestückung nicht im Geringsten auf das Klangbild schliessen, dass die Kiso entfesseln kann.
Es ging mehr als gut. Ja - und hier muss ich in die lobhudelnde Berichterstattung der etablierten Medien ausnahmsweise einstimmen - es klang sogar ganz fantastisch. Wobei mir selbst heute noch nicht klar ist, wie man ein solches Klangbild aus einem derartigen Lautsprecher zaubern kann. Keine Sorge, ich werde trotzdem versuchen mich auf der gewohnt sachbezogenen und nüchternen Weise der Beschreibung dieses Lautsprechers anzunehmen:
Der Werbebroschüre nach taten sich drei Herren zusammen einen kleinen, aber möglichst livehaftigen Lautsprecher zu bauen. Namentlich waren das Toru Hara, ein Musikproduzent und der Kopf von Kiso Acoustic, Jonathan Carr, Entwickler der Lyra Tonabnehmer und Phonostufe und Takamine Gakki, der Gitarrenbauer ist. Vor dem Hintergrund der beteiligten Personen erschliesst sich auch das aussergeöhnliche Konzept des Lautsprechers.
Bild 1: Kenner der Szene erkennen ganz unhighendige Allerwelts-Chassis: Ein 10cm kleiner Tiefmitteltöner aus Peerless HDS-Serie und ein Hochtonhörnchen, das von Fostex kommen könnte.
Bild 2 und 3: Dem exzellent verarbeitetem und lackierten Dünnwand-Gehäuse sieht man in Form und Finish die Hand des Gitarrenbauers Takamine Gakki sofort an.
Mir als passionierten Selberbauer hat es erst einmal gegruselt als ich mir das Konzept erläutern liess: Das hübsche gerundete Gehäuse besteht aus alles anderen als schalldichten Material, sondern aus 3,5 mm dünnen Instrumentenholz für die Seitenteile, und gar nur aus 2,5 mm dünnen, dampfgeformten Holz für den gewölbten Deckel und die Rückwand. Das Gehäuse ist also bewusst nicht dämmend, und verfolgt damit nicht das übliche Ziel ausschliesslich ein Volumen für die Chassis zu bilden, die ihrerseits alleinig für die Nutzschallerzeugung zuständig sein sollen. Bei der Kiso HB-1 wird bewusst das Gehäuse, wie bei einem Instrument, mit für die Schallerzeugung genutzt. Wie hierbei sichergestellt werden soll, dass das Gehäuse bei jeglichem Musikmaterial genau die richtigen Schwingungen passieren lässt oder sogar resonierenderweise hinzufügt, ist mir schleierhaft. Der reinen Lehre nach dürfte es zu starken Verfärbungen, Dröhnen oder gar zu Resonanzkatastrophen kommen, die die Wiedergabe hifi-untauglich machen. Offenbar steckt in der Abstimmung des Gehäuses aber genau das Geheimnis des Lautsprechers.
Bei näherer Betrachtung erkennt man auch die Anstrengungen der Entwickler bei dert ganzheitlichen Abstimmung des Lautsprechers. Die Form scheint demnach nicht willkürlich gewählt, oder nur einem optischen Ideal folgend; die Seitenwände verlaufen nicht parallel und von Innen sind kleine Holzstege zur Resonanzminimierung bzw. -ableitung oder -veränderung aufgeklebt. Ok, das erinnert in der Tat eher an Instumentenbau als an Hifi. Wird nun jedes Instrument über die Kiso nach Gitarre klingen, weil deren Resonanzsignatur dem Nutzsignal der Chassis aufgezwungen wird?
Apropos Chassis: Das ist auch eine spezielle Geschichte. Bei dem Anspruch der Entwickler und insbesondere bei dem aufgerufenen Preis von ca. 14.000 EUR darf man eigentlich die absolut besten verfügbaren Chassis am Markt erwarten.
Ja! 14.000 EUR pro Paar. Keine Null zu viel und auch kein Vertipper. Der Preis ist absurd, ungeachtet jeglicher Handarbeit und der tollen Klangqualität. Insofern verliere ich hierüber keine weiteren Worte. Er spricht für sich.Warum also keine Diamantkalotten? Beryllium- oder Keramiktöner? Das finde ich schon wieder charmant: Obwohl Budget offenbar keine Rolle spielte, setzt Kiso vergleichsweise preisgünstige Chassis ein, die man so eher in einem Selbstbauer-Einsteigerprojekt erwarten würde. Der kleine Peerless 10 cm Tiefmitteltöner ist ein gutmütiger und leicht zu beschaltener Polypropylentöner, der für ca. 50 EUR auch für Endkonsumenten zu erstehen ist. Das kleine Horn scheint ein Modell von Fostex zu sein und dürfte auch kaum teuer sein. Kiso spendiert dem Hochtöner zumindest ein eigenes Massivholzhorn. Die Chassistechnik reisst also niemanden vom Hocker, wenngleich gerade der Peerless sicher ein unterschätztes Chassis ist. So beweisst die Kiso zumindest, was so mancher Insider schon einmal hinter vorgehaltender Hand kundtut: Oft lassen sich mit gutmütigen Chassis bessere Ergebnisse erzielen, als mit zickigen, exotischen und oft auch sündteuren Topend-Chassis, die aufwendig beschaltet werden müss(t)en.
Über findige Selbstbauer, denen es gelänge ein ähnliches Konzept zu einem Bruchteil der Kosten umsetzen, könnte sich die Selbstbaugemeinde jedenfalls freuen...
Zurück zur Kiso HB-1. Das Gehäuse besitzt einen Bassreflexkanal nach vorne - ohne den würde es im Grundton wohl arg dünn - und ein Frequenzweichenkompartment ausserhalb der Druckkammer mit wenigen aber guten - wenngleich nicht den teuersten (besten?) Bauteilen von Mundorf.
Bild 1: Hervorragende Quellgeräte: Links der AMR Hybrid CD-Spieler und rechts der Dr. Feickert Woodpecker.
Bild 2 und 3: Der Woddpecker war zudem höchstwertig bestückt. An Frank Schröder Tonarm (Bild 3 im Detail) spielte das Lyra Delos und am Kuzma Stogi Reference das noch hochwertigere neue Lyra Kleos.
Bild 4: Spec Audio RSA-F1 Vollverstärker über der sagenumwobenen - und leider ebenfalls irrwitzig gepreisten - Lyra Conaisseur Phonovorstufe - s.a. Stereoplay - Phonovorstufenvergleich.
Gestartet habe ich meine ersten Höreindrücke von AMR CD-Spieler mit Stings English Man in New York. Sofort fällt einem unabhängig vom Sitzplatz das grosse und erstaunlich substanzielle Klangbild auf, dass die Kiso in den kleinen Hörraum zauberte. Luftig, rythmisch und mit erstaunlichen dynamischen Fähigkeiten gesegnet, nimmt die Kiso einen sofort für sich ein.
Wenn man es schafft sich von ihrem Charme nicht blenden zu lassen, kann man nüchtern betrachtet auch ein paar Schwächen finden: Echter Zwerchfell-massierender Tiefbass fehlt natürlich. Völlig verfärbungsfrei spielt die kleine Kiso auch nicht. Trotz ihrer luftigen Körperhaftigkeit wirken Stimmen und Instrumente nicht immrf ganz natürlich, was eventuell auf Verfärbungen im Präsenz- und Brillianzbereich zurückzuführen ist. Unangenehme Verzerrungen waren allerdings nicht auszumachen.
Auch Jen Chapin klang bei ihren intonierten Steve Wonders Songs vom Album Revisions machmal ein wenig grundtonkarg oder überpräsent. Aber die Kiso machte es einem wirklich schwer nach solchen Schwächen zu fahnden, zu gross ist das Erstaunen ob des grossen, luftigen und zuletzt auch natürlich glaubhaften Klangbildes mit seiner bestechend weiträumigen, wie genauen Bühnendarstellung. Immer wieder sorgte der Effekt für offene Münder oder vergnügtes Schmunzeln, wenn wir uns mit verschlossenen Augen vor dem üblichen, physikalisch grossen Highend Altaren wähnten, um dann wieder das 5 Kilo Federgewicht HB-1 zu erblicken. Das war selbst für erfahrene Kenner der Materie immer wieder verblüffend.
Im Ergebnis ist die Kiso HB-1 also nicht der perfekte Lautsprecher. Der will sie auch gar nicht sein. Aufgrund ihrer Grösse und dem damit limitierten Tiefton- und Grenzdynamik-Fähigkeiten ist sie konzeptionell eher für die Beschallung kleinerer Räume und die Wiedergabe nicht zu komplexen Musikmaterials geschaffen. Wer diese Einschränkungen allerdings beherzigt, wird bei der Wiedergabe akustischer Aufnahmen in kleineren Besetzungen mit einer Musikwiedergabe belohnt, wie man sie viel zu selten bei Hifi zu hören bekommt. Und da sie hierbei auch deutlich potentere Lautsprecher ein wenig leblos und unmusikalisch wirken lässt, hat sie sich trotz ihrer kleinen Schwächen und des absurden Preises einen "Best Sound of Show" redlich verdient.
Doppelt hält besser?
Die Lösung, die Kiso für diejenigen bereit hält, die dann doch ein wenig mehr Grenzdynamik und Maximalpegel fordern, ist so skuril wie simpel: Man nehme einfach 2 statt 1 HB-1 pro Kanal.
Und damit hierbei nicht das schöne Stereo-Klangbild geopfert wird, muss die zweite HB-1 auf den Kopf, Hochtöner an Hochtöner, über die erste HB-1 platziert. Das funktioniert natürlich bei jedem Lautsprecher mit Hochtöner am Kopfende, weshalb es sogar entsprechende Konzepte in einem Gehäuse - wie bei den Dynaudio Confidences - gibt. Damit sich die resonierenden Gehäuse hierbei nicht berühren, und das Ganze auch noch anständig aussieht, bietet Kiso ein passendes Gestell für diese Anordnung an.
Bild 1 bis 4: Dass da voher niemand dran gedacht hat - doppelte Lautsprecher für 6 db mehr Maximalpegel.
OK, der Pegelgewinn eines zweiten Miniaturtieftöners, ohne Weichenanpassung - da ja trotz nicht zwingend notwendigem zweiten Hochtöner, dieser schon richtig beschaltet ist - zum Preis von zwei HB-1 Päarchen ist schon absurd teuer erkauft. Wir erinnern uns: Prinzipiell könnte man mit einem zweiten Peerless für ca. 50 EUR und entsprechend mehr Gehäusevolumen, den Maximalpegel vergleichsweise kostengünstig erhöhen. Es soll ja tatsächlich Lautsprecheranbieter geben, die innerhalb einer Lautsprecherserie für entsprechenden Aufpreis grössere Varianten eines Modells anbieten. Nun ja, bei Kiso sind für die 6 dB mehr Maximalpegel dann halt ca. 28.000 EUR für zwei Päarchen HB-1 zuzüglich des Preises für die Gestelle (habe mich nicht zu fragen getraut) fällig.
Dekadent geht die Welt zugrunde. Aber Scherz beseite: Eingedenk der superb abgestimmten HB-1 und all der Entwicklungsarbeit die in sie wahrscheinlich eingeflossen ist, hätte ich bezüglich der Frage nach einer pegelfesteren Kiso eine ausgefuchstere Lösung von dern Machern erwartet.
Wie auch immer. Gut geklungen hat es so natürlich auch.