Der kanadische Lautsprecherhersteller Verity Audio ist nach seinem erstem kommerziellen Erfolg, dem bestens beleumundeten Modell Parsifal, eine feste Grösse unter den Anbietern für Top-Passivlautsprechern - wenn man der einschlägigen Presse denn glauben darf (dürfte).
Diese Messevorführung bot mir nun endlich die Gelegenheit mich von den akustischen Qualitäten selber zu überzeugen.
Bild 1: Verity Audio Amadis an Elektronik von Trilogy und Vinyl von Fletcher Audio.
Bild 2: Auch die Amadis hat das für Vertity charakteristische zweiteilige Gehäuse mit auf der Rückseite montiertem Tieftöner.
Bild 3: Plattenspieler Omega Point 5 von Fletcher Audio, die Röhrenvorstufe 909 (Mitte) und die Phonovorstufe 907 (unten) von Trilogy.
Die Vorraussetzungen für eine gelungene Vorführung konnten zudem nicht besser sein. Verity Audio ging dem noch relativ jungen Modell Amadis, das in der internen Rangfolge noch vor der kleineren Parsifal rangiert, an den Start. Verstärkung erfolgte durch Hybrid-Elektronik des britischen Spezialisten Trilogy und das analoge Frontend wurde durch nicht weniger als das letzte Topmodell des Analog-Gurus Tom Fletcher gestellt. Jede Einzelkomponente ist eigentlich einen Bericht wert. Bei einem Messebericht muss ich mich leider etwas kürzer fassen.
Ein paar Worte zur Amadis:
Die Amadis vereint einige Eigenschaften, die seit jeher zur Philosophie der Marke Verity Audio gehören: Tieftöner nach hinten abstrahlend; Zweiteiliges Gehäuse, das über eine eine Aluplatte und Sorbothan dämpfend angekoppelt wird; alle Chassis des 3-Wege-Lautsprechers werden mit möglichst flachen Filter mit Bessel-Charakterstik beschaltet. Wenn möglich lässt man bei Vertity die Treiber sogar komplett frei laufen. Hierfür benötigt man natürlich sehr gutmütige Chassis, die einen sanften Rolloff ohne Klirr verursachende Menbranaufbrüche und einen von Haus aus linearen Frequenzgang aufweisen. Die andernorts so beliebten Hartmembranen scheiden hierfür also aus.
So werden Tieftöner und Tiefmitteltöner vom dänischen Zulieferer Audio Technology gestellt, der spezialisiert auf die kundenspezifische Fertigung von hochwertigen Chassis mit Polypropylenmembranen und grosser Schwingspule ist. Hierdruch hat Verity Audio die relevanten Parameter gut im Griff und muss den 13er Tiefmitteltöner auf der samtenen Frontplatte elektrisch nur erster Ordnung trennen und kann den 25er Tieftöner auf der Rückseite sogar komplett frei bis zu seinem natürlichen Rolloff laufen lassen. Da der Tieftöner hierbei auch höherfrequente Grund- und Mitteltonanteile abstrahlt, ist das Einstellen des richtigen Rückwandabstand wahrscheinlich ratsam, um keine frühen ersten Reflexionen am Hörplatz eintreffen zu lassen. Dies war in der Vorführsituation der Messe kein Thema.
Der Tiefmitteltöner läuft seinerseits bis zu sehr hohen 6 kHz. Die zwangsläufig hiermit entstehenden Bündelungseffekte sollte man beim richtigen Einwinkeln der Lautsprecher berücksichtigen. Durch diese hohe Trennfrequenz langweilt sich der Hochtöner SB29 von SB Acoustics wahrscheinlich schon ein wenig; die Parameter des dänisch (Entwicklung) idonesischen (Fertigung) Chassis empfehlen ihn eigentlich für eine deutkich breitbandigere Abstrahlung. Befreit von anstrengender Hubarbeit sollte er seine sehr klirrarmen Klangqualitäten erst recht ausspielen können. Bei dem zu Unrecht selten zu findenden SB29 handelt es sich übrigens nicht um eine Kalotte, die bereits einen Fingerdrücker hinnehmen musste (Bild 1 unten), sondern um einen waschechten Ringradiator. Im fehlt lediglich die Nase in der mittigen Einspannung der Membran, wie sie etwa die Modelle von Scan Speak oder Vifa aufweisen. SB Acoustics nennt ihn daher auch Dimple Dome - also Kuppe mit Grübchen - nett. Mit seinem hohem Wirkungsgrad, dem niedrigen Klirr und dem linearem Frequenzgaang passt das gerade einmal 40 EUR teure Chassis also bestens ins Konzept der Amadis. Symphatisch, dass Verity Audio nicht aus Marketinggründen zu einer richtig teuren Diamand-Keramik-Beryllium-oder-ähnlich-Kalotte gegriffen hat, sondern einfach das am besten passende Chassis für den mit 30.000 EUR Paarpreis nicht gerade preiswerten Lautsprecher gesucht hat.
So ist die leicht enthemmte Preisgestaltung auch das einzige Ärgernis, dass ich an dem ansonsten durchdacht konzipierten und hochwertig verarbeiteten Lautsprecher ausmachen kann.
Bild 1: Die Herkunft der Chassis auf der samtenen Front ist anhand der Optik leicht auszumachen: Ringradiator von SB Acoustics und Tiefmitteltöner von Audio Technology.
Bild 2 und 3: Omega Point 5 von Tom Fletcher mit Zero Tonarm und Lyra Delos MC.
Ein paar Worte zu Trilogy:
Die kleine Phonovorstufe 907 (ganz oben Bild 3) ist eine klassischer Single-ended ClassA Typ. Die Hochpegelvorstufe 909 nutzt zwar eine Röhre in der Verstärkerschaltung ist aber eine modernes Gerät mit Fernbedienung, Dot-Matrix-Display, Relais geschalteten Prezisionswiderständen, Mikroprozessorsteuerung und sogar einem proprietären Bussystem zur Vernetzung der Trilogy Komponenten untereinander. Die Endstufe 990 ist ein Hybridtyp, verwendet also Röhren und auf der Leistungsseite Transistoren, und sollte mit ihren 2x 200 Watt an 4 Ohm mit den wirklungsgradstarken Verity Amadis keine Schwierigkeiten haben.
Ein paar Worte zu Fletcher Audio:
Analogfans erkennen am Masselaufwerk Omega Point 5 gleich die Handschrift von, in 2010 leider verstorbenen, Tom Fletcher. Vor seiner Zeit bei Fletscher Audio konzipierte er schon etliche vergleichbare Laufwerke und Tonarme unter dem Label Nottingham Audio. Die in langwieriger empirischer Tüftelei entstandenen Materialpaarungen und spleenigen Detailösungen hatten immer nur ein Ziel: Eine möglichst saubere und störungsfreie Abtastung der Vinylrille zu ermöglichen.
Im Ergebnis mögen die Laufwerke nie so glänzend und durchgestylt ausgesehen haben, wie die Transrotors oder VPI´s dieser Welt; Kenner wussten aber, dass die Horizons und Spacedecks nicht mit den Resonanzen und Störungen durch Motorruckler zu kämpfen hatten, wie diese viele andere Masselaufwerke tun.
So findet man am Omega Point 5 auch einen resonanzarmen Materialmix aus bewusst kleinflächiger, halbkreisförmiger Hartholzzarge, POM-Füssen und einem bedämpften Plattenteller aus einer Alulegierung. Der Antrieb ist, wie schon bei den Nottinghams, über einen besonders drehmomentschwachen Motor, einen grossen Pully und einem dicken Rundriemen gelöst. Abenteuerilch, aber ebenso seit Jahren erprobt ist das bewusste Bremsen des Tellers über ein Gummi, so dass der schwache Motor den manuell in Drehung versetzten Teller geradeso auf Drehzahl halten kann. Alles mit dem Ziel einer möglichst störungs- und resoanzarmen Abtastung. Die übernahm auf der Messe der ebenfalls neue Fletcher Zero Tonarm und das auch hier zum Einsatz kommende Lyro Delos MC System. Leider gibt es das ganze nicht zum 1.000 EUR Sparpaket wie damals den formidablen und zu UNrecht unterschätzen Horizon. In England werden für den Omega Point 5 3.700 Pfund und für den Zero Tonarm 2.000 Pfund aufgerufen. Das Lyra kosten in Deutschland ca. 1.100 EUR. Andererseits dürften diese Beträge einen potenziellen Transrotor-Kunden nicht schrecken...
Ein paar Worte zum Klang:
Angesichts der hohe Erwartung schürenden Komponenten wurden wir tatsächlich nicht enttäuscht. Hier spielte definitv eine der besseren Ketten der High End 2011. Insgesamt sehr breitbandig, luftig und hochauflösend wusste die Anlage mit jeder Art von Musik zu gefallen. Gerade das Konzept der Verity Audio Amadis schien in dem grossen Hörraum, mit viel Abstand zur Rückwand und in der Schallschnelle sitzen gut aufzugehen.
Ob der sehr tiefe und kräftige Bass, und auch die rückwärtige Abstrahlung höherer Frequenzen in wöhnzimmer-üblichen Hörsituationen eventuell doch problematisch ist kann nur gemutmasst werden. Hier war diesbezüglich alles in Ordnung. Wenn man ein Haar in der Suppe finden möchte, dann dieses: Leider scheint die Amadis nicht frei von Überbetonung einzelner Frequenzbereiche zu sein. Sie scheint zwar nicht zu resonieren oder zu verzerren, aber die Präsenzen und der Brillianzbereich sind leicht hervorgehoben. Das tun zwar viele andere Lautsprecher auch; zudem scheint diese Charakteristik sogar Vielen zu gefallen; ich kann auf die unnatürliche Verfärbung von Stimmen und Instrumenten gut verzichten und benötige auch keine Extra-Frische in den Höhen.
Zur richtigen Einordnung: Die Amadis schreit nicht, und natürliche Klangereignisse klingen auch nicht künstlich, die Überhöhungen sind aber gerade deshalb deutlich wahrnehmbar, weil der Lautsprecher ansonsten über hervorragende Über-Alles-Qualitäten verfügt und aufgrund der klirrarmen Durchhörbarkeit solche Färbungen leicht identifizierbar macht.
In einer perfekten Hifi-Welt hätten die Mannen von Verity Audio die Amadis mit ein bischen mehr Frequenzweiche auf Neutralität getrimmt und würden Sie - gerne auch ohne italienischen Schleiflack - für maximal den halben Preis anbieten. Dann müsste ich an dieser Stelle eine klare Empfehlung aussprechen.